Geologie des Küstengebietes von Dithmarschen

Das Dithmarscher Küstengebiet zwischen der Elbmündung im Süden und der Eider im Norden, das die Meldorfer Bucht in die Süder- und Nordermarsch trennt, prägen im Landesinneren Ablagerungen der vorletzten Kaltzeit (Saale-Komplex). Diese reichen hier nicht so weit nach Westen wie in Nordfriesland und fallen steiler ab. Im Verlauf des nacheiszeitlichen Meeresspiegelanstiegs infolge der holozänen Klimaerwärmung war die Nordsee zunächst in die tiefen Schmelzwassertäler von Eider und Elbe vorgestoßen und hatte bis zu 30 m mächtige Sedimente (Sande, Tone, Schluffe) abgelagert, bevor das Meer den Dithmarscher Geestrand mit seinen Altmoränen erreichte.

Als die Nordsee die -20 m Tiefenlinie erreichte, war vor dem Dithmarscher Geestrand eine tiefe Meeresbucht mit Ausläufern zur Eider und Elbe vorhanden. Bei Wallen an der Eider erfolgte der Beginn der marinen Beeinflussung um ca. 5.985±83 v. Chr. Hier vermoorte ein pleistozänes Seitental der Eider.  Den Bereich von Hassenbüttel bei Wesselburen in Norderdithmarschen erreichte das Meer kurz nach 5.500 v. Chr. und erodierte hier die eiszeitliche Oberfläche. In südlicher und östlicher Richtung steigt diese bis auf etwa NN -17,20 m leicht an, sodass die Nordsee den Bereich von Wellinghusen und Wöhrden erst um 5.100 v. Chr. überschwemnmte. Den noch weiter als heute vorspringenden Geestrand bei Heide erreichte das Meer um 4.500 v. Chr.

In Norderdithmarschen bestand die Holozän­basis aus Ge­schiebemergel, welche überflutet und teilweise abgetragen wurde. Darüber lagerte die Nordsee Sedimente ab. Da sich mit Ausnahme einer Bohrung im Friedrichsgabekoog kein Basistorf nach­weisen ließ, er­folgte die nacheis­zeit­liche Über­flutung hier so rasch, dass sich hier keine Moore bildeten. Die über der teilweise erodierten pleistozänen Oberfläche ab­gela­gerten Sedimente bestehen bis NN -6 m überwiegend aus Tonen, darüber vorwiegend aus feinsandi­gen Schluffen. Da sich in der Dithmarscher Nordermarsch im Rahmen eines Wasserleitungsbaus der GaWA 1995 auf einer größeren Länge eine bis 0,20 m mächtige tonige Lage zwischen grob geschichteten Sturmflutsedimenten beobachten ließ, kam es wohl nach einer stür­mische­ren Phase zu einer periodischen Meeres­beruhigung. Aufgrund des gleich­förmigen Auf­baus des Küstenholo­zäns sind keine größe­ren Setzun­gen zu erwarten. Westlich des Hemmingstedter Kliffs wurde nahe von Süderwöhrden in einer Tiefe von NN -7,3 m erbohrter, um 5.231±100 v. Chr. datierter Schilftorf von Sedimenten bedeckt. Zwischen den Geestkernen herrschten im Atlantikum um 5.621±51 v. Chr. brackige Bedingungen, wie ein bei NN -6,5 m erfasster Torf im Meldorfer Moor belegt. Um etwa 5.480 v. Chr. hatte die Transgression einen Stillstand erreicht.

Infolge der Brandungswirkung des Meeres entstanden aus den älteren, bereits in der Saale-Kaltzeit vorgeformten Steilhängen entlang des Elbeurstromtals jüngere Kliffs. Das kiesige Material des erodierten Heider Geestvorsprunges verfrachtete das Meer zusammen mit Sedimenten mit dem Längsstrom entlang der Küste in nord-südlicher Richtung und schüttete daraus seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. Nehrungen auf, sodass sich eine Ausgleichsküste ausbildete. Die dahinter liegenden, ursprünglich von der Nordsee überfluteten Täler wurden dem Meereseinfluss entzogen, süßten aus und vermoorten.

Westlich dieser Ausgleichsküste bildete sich ein Wattenmeer als sich ein Gleichgewicht zwischen dem Anstieg des Mittleren Tidehochwassers und der Materialzufuhr eingestellt hatte. Die schluffigen Wattsedimente weisen nach Radiokarbondatierungen ein Alter um 1.000 v. Chr. auf. Schließlich entstand um etwa 500 v. Chr. die alte Marsch, deren alter, nur von dünnen Sedimenten bedeckter Boden als dünnen Humusband (Dwog) wiederholt bei Leitungsbauten beobachtet wurde. Nach den geoarchäologischen Untersuchungen zu schließen dehnte sich die alte Marsch langsam nach Westen aus, wobei die Airborne Laserscannkarte zur optischen Vermessung der Landschaftsoberfläche in Norderdithmarschen mehrere parallel der Küste verlaufende Marschrücken ausweist. Die beiden östlichen Marschrücken mit ihren sandigen Böden und Salzmarschen wurden in den ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderten besiedelt, während in den Senken schluffiger und toniger Klei auf eine zunehmende Staunässe hindeutet. Im Westen der alten Marsch bildete sich im Gebiet von Wellinghusen ein bis zu NN +1,80 m hoher, nach Norden abfallender Uferwall nahe der Küste, auf dem von 555–660 n. Chr. (Radionkarbonprobe KI-3797) Schilf wuchs und der nach Ausweis der archäologischen Untersuchungen spätestens seit dem Ende des 7. Jahrhunderts besiedelt wurde.

Diese natür­liche Gliederung einer Seemarsch in küstennahe hohe Marschrücken und einem tieferen Sietland im Landesinneren ist eine Folge der unter­schied­lichen Sedimentationsbedingungen. Über­schwemmte das Was­ser bei Sturm­fluten die Mar­schen, lager­ten sich in den küstennahen Bereichen bei verringerter Fließgeschwindigkeit gröbere Partikel (Sande) ab, so dass dort ebenso wie entlang von Prielen Marschrücken bzw. Uferwälle aufwuchsen, während im Siet­land ein Sedimenta­tions­defizit entstand, das deshalb nicht höher auflan­dete. Fehlende Sedi­mentzufuhr bei gleich­zeitig ansteigendem Wasser­stand und als Barrie­ren wirkende Mar­schrücken führten in den Sietlän­dern so zu einer Einschränkung der natürlichen Entwässerung und zur Ausbildung von Mooren.

Reste dieser Torfbildung in der Dithmarscher Nordermarsch ha­ben sich mit dem Weißen Moor erhalten, worunter sich Scherben der ersten nachchristlichen Jahrhunderte  fanden. Pflugspuren zufolge befand sich ehemals hier Ac­kerland unter Torf. Die Schilf­tor­flagen an der Basis des Weißen Moores dokumentieren somit einen Anstieg des Grund­wasserspiegels, der mit einem Meeresspiegelanstieg einhergeht. Auch unter einer weiter nördlich gelegenen spät­mittel­alter­li­chen Hofwurt bei Hemme befand sich der Rest eines zwischen 40 und 380 n. Chr. entstandenen Torfes. Torfreste sind auch östlich der Dorf­wurt Wesselburener Deichhausen nachgewiesen, wo eine humose Ton­schicht im Bereich eines alten Priels um 685–800 n.Chr. (KI-3902) datiert wurde. Pollenanalyti­sche Untersuchungen deuten hier auf Reste eines Hochmoores hin. Ein weiterer Torf unter einer hochmittelalterichen Hofwurt in Poppenwurth ergab mit 635–665 n. Chr. ein ähnliches Alter (KI-3905). Der unter der hochmittelalterlichen Dorfwurt Schülp erbohrte Schilftorf (KI-3901) wies in die Zeit von 360–645 n. Chr. Bei Ausgrabungen auf einer Hofwurt in Jarrenwisch kam unter dem Kleiauftrag ein jüngerer Schilftorf der Zeit um 970–1160 n. Chr. (KI-3797) zu Tage.  So­mit wird man davon ausge­hen dür­fen, dass sich bis zum frühen Mittelalter im Sietland der Dithmarscher Nordermarsch zunächst Niedermoore und später Hochmoore bildeten, die erst mit dem Landesausbau des 12. bis 14. Jahrhunderts durch Entwässerung beseitigt wurden. 

Westlich von Ketelsbüttel reiche die alte Marsch nach Ausweis der Laserscann Karte und eines von jüngeren Sedimenten bedeckten Fundortes der römischen Kaiserzeit im Speicherkoog über den hochmittelalterlichen Deichverlauf hinaus. Davor lagen im Wattenmeer sicher mehrere Sände.

In der Südermarsch zwischen der heutigen Meldorfer Bucht im Norden und der Elbe im Süden verlief die landschaftliche Entwicklung ähnlich. Nachdem auch hier das Meer um 4.500 v. Chr. den Geestrand erreicht hatte, entstanden mit nachlassendem Meeresspiegelanstieg Nehrungen. In einer ersten Phase während des 3. Jahrtausends v. Chr. bildeten sich dabei mehrere kleinere Strandwälle, wie der Elpersbütteler Donn. Nachgewiesen ist hier ein gestaffeltes System von Sandhaken, auf dem die Nerhungsbildung einsetzte. Ebenfalls der Beginn des Nehrungsfächers bei St. Michaelsdonn fällt in diese Zeit. Westlich der bis Friedrichshof reichenden Nehrung entstanden später weitere Sandwälle, die bis die erste Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. die Küstenlinie bildeten. Auf den jüngeren Nehrungen wehten Dünen auf. Während die Nehrungen an der Seeseite in der Brandungszone lagen, waren die dahinter liegenden Täler dem direkten Meereseinfluss entzogen. Hier prägten offene Haffseen oder Lagunen die Landschaft, die jedoch bald verlandeten, wie die Vegetationsentwicklung von Schilfsümpfen bis hin zu Nieder- und Hochmooren sowie Bruchwäldern zeigt. Westlich dieser Ausgleichküste wuchs um 500 v. Chr. die alte Marsch auf, die bei Krumwehl nördlich von Marne noch einige 100 m über den mittelalterlichen Seedeich hinaus reichte.

Geologische Beobachtungen entlang einer, etwa 2 bis 3 km westlich des Geestrandes verlaufenden Erdgasleitungstrasse zwischen Brunsbüttel und Heide schlossen nördlich des Elbdeiches den Untergrund aus Wattsedimenten auf. Diese bestanden aus mit sandigen Lagen durchzogenem Ton mit darüber liegendem schluffigem Feinsand.  Die Wattsedimente bedeckte ein humoser Marschboden. Nördlich von Brunsbüttel wurden vermoorte Senken angeschnitten, die unmittelbar vor der Dwogbildung entstanden. Nach den Ergebnissen der Radiokarbondatierungen (A 748, A 732) und der Pollenanalyse entstand dieser Torf im frühen Subatlantikum, später als 1.000 v. Chr. Zwei weitere Datierungen sprechen ebenfalls für diese Einordnung in die Zeit um 1.171± 108 v. Chr. (KI-2390.01 untere Probe) und 928±75 v. Chr. (KI-2390.01 obere Probe). Der Übergang von Schilf- in Riedtorf geht hier einher mit einem Rückgang des marinen Einflusses, wenn auch höhere Chenepodiaceen-werte (Fuchsschwanzgewächse) auf die Nähe des Meeres hindeuten.

Verfolgt man die Trasse weiter nach Norden, so spaltet sich der Dwog in zwei Marschoberflächen auf, die ein dünner humoser Ton voneinander trennt. Der untere Dwog fällt dabei nach Norden hin ab. Die Datierung dieses Horizontes bei Marne (M 456) fiel mit  840±41 v. Chr. etwas jünger aus, während der obere Dwog bei Marne auf 545±76 v. Chr. datiert wurde. Trotzdem dürfte es sich zwischen dem unteren Dwog bei Marne und dem nördlichen bei Brunsbüttel um die gleiche Marschoberfläche handeln. Bei Marne vermoorte die Marschoberfläche, deshalb ist die Datierung etwas jünger als der Dwog. Nördlich von Brunsbüttel vermoorte die Senken, bevor der Dwog entstand. Der Boden zog dort über die Füllung der Mulde hinweg. Die Böden der alten Marsch weisen die typischen Eigenschaften einer Kleimarsch mit schluffigen Sedimenten auf, während in den jüngeren Kögen Süderdithmarschens kalkreichere Böden vorhanden sind.

Die zunehmende Vermoorung des Sietlandes ist auch hier eine Folge der Bildung höherer Marschrücken entlang der Nordsee und der Elbe. Nur entlang von in das Landesinnere führenden Priele erstreckten sich für eine Besiedlung nutzbare Uferwälle, wie im Gebiet von Eddelak. Einer dieser Priele trug wohl nach dem Durchbruch des Elbuferwalles die Nehrung bei Eddelak teilweise ab und erreichte dann im Nordwesten nördlich von Trennewurth das Wattenmeer oder brach von der Nordsee in das Hinterland ein. 

Wie lokal sich die Umweltbedingungen wandeln konnten zeigen die Untergrundverhältnisse unter der im 12. Jahrhundert angelegten Wurt Lütjenbüttel südwestlich von Meldorf. Hier wurde eine etwa 1 m mächtige Folge aus Schilf (Phragmites) angeschnitten, die feine tonige Sedimente durchzogen. Nach oben gingen diese in einen Schilftorf über, den in einer Höhe von NN +1,25 m Anwachsschichten bedeckten. Darüber entstand eine Salzwiese, auf der die hochmittelalterliche Wurt errichtet wurde. Die Siedler hatten dabei die Erdsoden abgeplaggt und damit die Wurtoberfläche bedeckt. Die tiefste hier aus dem humosen Klei entnommene Probe zeigt in den von der Geest her eingewehten Baumpollen die Eichenmischwaldarten. Hasel ist nur gering vertreten, während Buche, Ulme und Hainbuche noch fehlen. Das Auftreten von Farnsporn, hohen Werten von Gräsern und Sauergräsern und das relativ geringe häufige Auftreten von Symphytum (Beinwell) weisen auf eine Feuchtwiese unter mäßig marinen Bedingungen hin. Die Gänsefußgewächse belegen zwar die Nähe von Salzwiesen, doch fehlen typischer Vertreter dieser Gesellschaften wie Glaux maritima (Milchkraut), Plantago maritima (Strandwegerich) oder Armeria (Grasnelke) noch. Die humosen Lagen sind mit einem verringerten Meeresspiegelanstieg oder einer Regression zu verbinden. Innerhalb der Entstehungszeit dieses Torfes vollzog sich die Ausbreitung der Buche und die Etablierung der Hainbuche auf der Geest, somit entstand dieser in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr. Feine Tonbänder im Torf belegen Süßwasserüberschwemmungen, die sich als Rückstau infolge der ungenügenden natürlichen Entwässerung erklären lassen.

Reste von Torfen dieser Sietlandsvermoorung sind auch unter den seit dem 12. Jahrhundert angelegten Hofwurtenreihen in der Südermarsch vorhanden. So weist der unter einer Hofwurt in Volsemenhusen östlich von Marne  erbohrte Torf ein Alter von 640–780 n. Chr. (KI-3981) auf. Auch die Hofwurtenreihe in Westerbüttel nördlich von Brunsbüttel war auf dem Moor errichtet, das hier um 780–990 n. Chr. (KI-3980.1; KI-3980.2) bestand. Somit hatte sich die Vermoorung weiter ausgedehnt und umfasste das gesamte Sietland der Südermarsch. Erst mit der Bedeichung und Entwässerung im Rahmen des hoch- und spätmittelalterlichen Landesausbaus vollzog sich auch hier ein Wandel von einem Naturraum zu einer vom Menschen beeinflussten Kulturlandschaft.

Vor dem mittelalterlichen Seedeich Dithmarschens landeten junge Seemarschen auf, die seit dem 16. Jahrhundert bedeicht wurden.

 

Literatur:

Dietrich Hoffmann, Dirk Meier u. Michael Müller-Wille, Geologische und archäologische Untersuchungen zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte des Küstengebietes von Norderdithmarschen. Germania 1997, 213-253.

Dirk Meier, Landschaftsentwicklung und Siedlungsgeschichte des Dithmarscher Küstengebietes von der römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter. In: Verein für Dithmarscher Landeskunde (Hrsg.), Geschichte Dithmarschens. Bd. 1 Von den Anfängen bis zur Bauernrepublik (Heide 2015) 65-98.

Dirk Meier, Die Eider. Flusslandschaft und Geschichte (Heide 2016). Boyens.

Dirk Meier u. Kaus Mueller, Zur Altersbestimmung rezenter und fossiler Marschböden an der deutschen Nordseeküste. Archäologisches Korrespondenzblatt 25, 1995, 83-95.