Ausgrabung: Hundorf

Mittelalterliche Großwarften im nördlichen Eiderstedt

Im Rahmen eines Forschungsprojektes zur mittelalterlichen Besiedlung und Bedeichung erfolgten zwischen 1989 und 1991 archäologische Untersuchungen an Warften und Deichen im nordwestlichen Eiderstedt. Bis heute formen hier in Streulage verteilte im Kern meist hochmittelalterliche große Warften mit umgebenden Blockfluren ehemaliger Ackerfelder und lokale Deichsysteme sowie alte Priele und Deichbruchstellen ein sehr gut erhaltenes Bild einer mittelalterlichen Kulturlandschaft in einer Seemarsch.

Charakteristisch für das nordwestliche Eiderstedt sind seit dem Hochmittelalter aus Klei errichtete Großwarften in unregelmäßiger Streulage in einer von Prielen durchzogenen Seemarsch, die seit etwa 1000 n. Chr. aufgelandet war. Niedrige Deiche schützten das Wirtschaftsland, dessen Blockfluren noch heute an die ehemalige von Prielen durchzogene Marsch erinnern. In ihrem Aufbau gleichen diese Groß- und kleineren Hofwarften denen auf den seit der frühen Neuzeit aufgelandeten Halligen im nordfriesischen Wattenmeer sowie den mittelalterlichen Warften auf Pellworm. Die Errichtung der nordfriesischen Halligwarften erfolgte nach einem planmäßigen Bausche­ma. So ent­fernte man am Anlageort die Grassoden, um damit die Böschung der Warft abdecken zu können, in einem weiteren Ar­beits­gang legte man die Lage der Brunnen (Sod) und des Feth­ings fest, bevor die Warft planmä­ßig mit Kleiso­den auf­ge­höht wur­de. Dabei muss­ten ge­waltige Klei­massen von den Bauern auf­geschich­tet wer­den. Den Um­fang der geleis­teten Arbeit mag man in etwa dar­an ab­schät­zen, dass die 3 m hohe, für ein Wohn­haus er­richtete Neu­ Peters­warft auf Hal­lig Norder­marsch, in den Jahren 1891 bis 1896 von acht bis zehn Män­nern aufge­tragen wurde. Die größte Hallig­warft unserer Zeit ist die Hanswarft auf Hooge. Sie ist NN +3,60 m hoch, misst im Durchmesser etwa 150:200 m, ist etwa 3 ha groß und weist 15 Häuser (Stand 1954) auf. 

 

Warft Hundorf

Im südlichen Verlauf des 1989 untersuchten St. Johannis Koog Deiches liegt an der Straßen­kreu­zung Poppenbüll-Tetenbüll-Wester­hever etwa 2 km nördl­ich von Garding die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mit ihrem heuti­gen Namen erwähnte wüste Warft Hun­dorf (Hun­dorp, Karte 1864), die auf den topo­graphischen Karten seit der Mitte des 17. Jahrhun­derts vermerkt ist . In der Eiderstedt Karte von Jo­hannes Mejer von 1648, die 1652 der Landesbe­schreibung von Danckwerth beige­ben wurde, scheint die Warft schon verlassen zu sein; auf einer Karte von 1807, die auch die alten Wegever­läufe vermerkt, ist sie eindeutig als wüst ver­merkt.

Die heutige Warft über­schüttet im Süden den an dieser Stelle sehr verflach­ten und nach We­sten nur noch an den Verlauf der Sielzü­ge zu erkennen­den Ring­deich des St. Johannis Koo­ges. Hundorf besteht aus zwei Kup­pen mit steil abfallen­den Bösch­ungen, in die muldenför­mig ein zer­störter Tauteich einschnei­det, einer Form, wie er noch auf der nahe gelegenen Großwarft Helmfleth erhalten ist. Die auf einer um NN +0,70 m hohen Marsch errich­tete Warft ragt etwa 3,50 m über dem Umland auf und ist schon von weitem sicht­bar. Die im 19. Jahr­hundert erst­malig im Osten teilweise abge­tragene und in den 1960er Jahren wei­ter verkleiner­te Warft weist noch in nord-südli­cher Rich­tung einen Durchmes­ser von 100 m und in west-öst­licher Rich­tung eine Breite von 40 m auf. Ihre ehema­lige Aus­dehnung könnte 120:80 m im Durchmes­ser betr­agen ha­ben, was einer maxi­malen Sied­lungsfläche von 9.600 m² ent­spricht. Nimmt man die 30.000 m² große Hans­warft auf Hallig Hooge als An­halts­punkt, auf der 15 Häuser (Stand 1954) standen, bot Hun­dorf Platz für theoretisch 5 Hof­stellen, ohne dass sich dies jedoch belegen ließe. Die nördliche Warft­kuppe (LA 158 B) erreicht eine Höhe von NN +4,20 m, die südli­che (LA 158 A) ist etwas niedr­iger und stel­len­weise abgetra­gen. Nörd­lich dieser Großwarft schließt sich ge­trennt durch einen Umfassungs­graben eine ein­zelne Warft an, die einen Durch­messer von 40 m auf­weist.

Mehrere Bohrun­ters­uchun­gen dieser Warft er­gaben keine Hin­weise auf Sied­lungs­schichten, so dass es sich möglicher­weise um einen Fluchtort für das Vieh bei Sturm­fluten han­delte. Um die West­seite der Warft führt ein alter er­höhter Weg (Löhn), der vermut­lich die benach­barten Warf­ten Dieck­pop­penbüll, Hun­dorf und Marne mit­einander ver­band.

Die Auswertung der paläobotanischen Proben aus den Mistschichten am Rand der älte­sten Warftphasen des Hoch­mittelalters deuten auf­grund hoher Werte von Triglochin mari­timum und Spergula­ria salina auf einen erhebli­chen Salz­wassereinfluss hin. Doch dane­ben wird es große, selten überflutete Berei­che im Bereich der höhe­ren Salz­marsch gege­ben ha­ben. Die Mehr­zahl der nachgewiesenen Pflanzen, mehr als 90%, stammt aus der niederen und hö­heren Salz­marsch. Bei der älteren Probe liegt das Schwer­gewicht der Herkunft auf der nieder­en, auch im Sommer oft mit Meer­wasser überflute­ten Marsch (Queller, Salzschup­penmiere, Stran­daster), bei der jüngeren auf der som­mertrockenen, höheren Salzmars­ch (Salz­bin­se, Straußgras). Vie­le Arten der Rubrik (Nasses) Grünland bis höhere Salzmarsch stammen aus diesem Be­reich der Marsch. Andere Proben, vor allem aus den Schichten des späten Mittelalters  bezeugen aber mit hohen Prozentwer­ten in der Rubrik Unkräuter und synanthrope Vegeta­tion und mit dem Fehlen von Salzarten, dass die Siedlung selbst außerhalb des Salzwas­serein­flus­ses gelegen hat. Die Kul­turpflan­zenreste Gerste, Weizen, Hafer und Bohne bezeugen den mittel­alterlichen Acker­bau. Al­lerdings erwecken manche Unkräuter den Ein­druck als ob die Felder doch an­dern­orts, ver­mutlich auf dem etwa 1.000 m ent­fernten, hö­her gelegenen Gardinger Sandwall gelegen haben. Dort, etwa eine halbe Stunde Fußwe­gs entfe­rnt, muss man die Äcker ver­muten, auf denen Getreide und Hülsen­früchte angebaut worden sind. Die ei­gentlich bezeichnen­de Kul­turpflanze des Mittel­alters, der Roggen, fehlt in Hundorf aber. San­dunkräu­ter magerer Standorte wie Spergula arvensisRumex ace­tos­ellaScleranthus annuus und auch Knautia arvensis sind in der Marsch schwer vorstellbar. Knautia und Centaurea cyanus sind typi­sche mittelalterliche Unkräuter, die im ersten Jahr­tausend fehlen oder selten sind.

Die Dominanz der Salzvegetation im Umland der Warft Hundorf belegt den Grund für den Warft­bau und für das Aufschichten des Ring­deiches um den St. Johannis Koog: Das Gebiet ist nicht vor Über­flutungen sicher gewesen, nicht einmal im Som­mer. Die gute Eignung der höheren Salzmarsch als Heuwiese sowie die der niede­ren als Sommerwei­de für das Vieh, das auf diesen Weiden und mit diesem Heu im Winter gefüttert prächtig gedeiht, ist die Ur­sache da­für, dass man Überflutungen und die Mühe des Warft- und später des Deichbaus in Kauf ge­nommen hat. In der durch einen Som­mer­deich geschützten Marsch ist der Anbau von Som­merfeldfrüchten jedoch mög­lich, da die einge­deichte Marsch sehr schnell aussüßt.

Die Marsch des St. Johannis Kooges ist mit aus etwa NN +0,50 bis +0,70 m nur niedrig aufge­landet. Der Untergrund besteht aus toni­gem, jungen Klei über dem Torf der vorrömischen Eisen­zeit. Der Grund­wasser­spie­gel liegt im Be­reich des Torfes bei durchsch­ni­ttlich NN ‑1, in sehr trocke­nen Sommern – wie 1989 – auch tiefer. Auch unter der Warft Hundorf ist diese Schich­tenfolge aufgeschlossen: über dem alten Klei folgt bei NN -0,80 bis -1,00 m der bis 0,20 m mächtig­e, in sei­nem oberen Bereich erodier­te Torf­horizo­nt der vorröm­ischen Eisen­zeit. Dar­über lagerten sich über einen läng­eren Zeit­raum etwa 1 m mächtige, tonige Sedi­mente des jungen Kleis mit feiner Sturmflut­schich­tung ab. Mit nach­lassender Überflutung ent­stand bei NN +0,69 m um die Jahrtausend­wen­de eine nied­rige Marsch. 

 

Warft I mit Erweiterungen 

Auf der niedrigen Marsch entstand im hohen Mit­telalter eine im Durch­me­sser etwa 40 m gro­ße Kernwarft aus einem NN +2,80 bis +3,30 m hohem Klei­au­f­trag mit rand­licher So­denbefes­tigung und daran anschließ­enden, abge­kipp­ten Mist­schichten. In der Mitte befand sich ein fla­cher sog. Tauteich, der spä­ter mit Klei verfüllt wurde. Als ein­zige Be­bau­ungsspuren waren im Ost­profil ein pla­nierter Brandhori­zont, evtl. auch eine Wand, im südlic­hen und im nördlich­en Teil der Warft zu ver­folgen. Im nörd­lichen Randbe­reich schn­itt in die rand­lic­hen Mist­schichten der Kernwarft  bei NN +2,40 m eine vier­eck­ige, etwa je 2 m lange und 0,40 m tiefe, mit Klei und Mist verfü­llte Grube  ein, wie in der Grabungsfläche nachgewiesen. Aus der Verfül­lung stam­mt über­wiegend hoch­mit­telalter­liche Kera­mik. 

Um zusätzliche Siedlungsfläche zu gewinnen, erweiterte man die Kernwarft randlich, wobei man teilweise auch Mist abkippte und diesen mit Klei bedeckte. Der Klei­auftr­ag der süd­lichen Warft wurde stel­len­weise in jüngerer Zeit abge­tragen. In den Randbe­reichen waren im West- und Ostprofil Sied­lungs- und Pla­nier­schichten zu verfolgen, die teilweise auch in der Fläche dokumen­tiert wurden. Im Lauf­horizont der erweiterten Kernwarft befand sich bei NN +2,81 m die kreisförmige, mul­denförmige Eintiefung eines Sodes, der wohl von der Warft II eingetieft worden war.

Der weitere Aufbau der Warft geschah vor allem im Norden mit zwei Phasen . Zu­nächst erfolgte mit dem tonigen Kleiauftrag eine erste Erweiterung, der sich die Pla­nier­schicht eines abgebran­ntes Hau­ses zuwei­sen lässt. In den Brandhori­zont schnitten zwei, etwa 0,50 m breite, 1,90 m lange und 0,20 m tiefe Gruben unbe­kannter Funk­tion. In die Schichten dieser Ausbauphase reichte ferner ein schma­ler Kreisgra­ben. Kreis­gräben kommen in vorge­schichtlichen und mit­telal­ter­lichen bis früh­neuzeitlichen Mar­sche­nsied­lungen vor. Meist handelt es sich um Begren­zun­gen eines Heu­sta­pels. Nach dem Abbrand der Bebauung erfolgte wie­derum ein Klei­auftrag zur Erweite­rung der Siedlungs­fläche. Dieser reichte in seiner Höhe nicht bzw. im Osten kaum über das Be­sied­lungs­niveau der Kernwarft hinaus. Als Ober­flä­che ließ sich im nördlichen Teil der Warft ein stellen­weise humoser, mit Holz­kohle durchsetz­ter Klei nachweisen. Der Rand­be­reich war wieder­um durch abgekippte Mist­schichten charak­terisiert.

Warft II

Die jüngste Warftaufschüttung bildete der 1 m mächtige Kleiauftrag der Warft II. Das Besiedlungsniveau des pla­nierten Brandho­rizon­tes lag auf der nördlichen Warft­kuppe bei NN +3,80 m. Ein­deutige Pfo­stenset­zungen waren nicht vorhan­den, sodass es sich um einen Ständer­bau mit Soden­wänden oder Fach­werk-Soden-Kon­struk­tion gehandelt haben könnte. Die Breite des Hauses ist mit etwa 8 m anzuneh­men. Unter der Brand­schicht befanden sich Spu­ren eines stark ver­brannten Kleie­strichs .

Häuser

Aus den Brand- und Planierschichten der mit­tel­alterlichen Warft­phasen, die teilweise bei der Vergrößerung und Erhöhung der Warft beseitigt wurden, lassen sich aufgrund der schlechten Erhaltungsbe­dingungen kaum nähere archäolo­gische Aussagen über Konstruk­tion und Größe der Häuser machen. Vermutlich bestand die mittel­alterliche Be­bauung in allen Sied­lungsphasen aus Fach­werkhäusern oder Häu­sern mit Soden­wänden oder Fachwerk­soden­wänd­en. Eingetiefte Pfosten waren nicht vor­handen, so dass Ständer­bauten wahrscheinlich sind. Anhand der dokumentierten Pla­nier­schich­ten ist eine Breite der mit­telalter­li­chen Häuser zwi­schen 5 und 8 m anzu­nehmen, die Länge ließ sich nicht ermit­teln. Indi­rekt können aus den erhaltenen Häusern auf den nordfriesis­chen Halligen und Inseln sowie aus den Be­schrei­bun­gen frühneuzeit­licher Chronisten Aussagen über das Aussehen der mittel­alter­lichen Häuser ge­macht werden.

Die seit der frühen Neuzeit bekannten Häuser auf den Halligen sind Einheitshäuser mit Woh­nung und Wirtschaft unter einem Dach mit niedrigen Wänden und tief herabgezogenen Reetdächern. Die Häuser stehen in westöst­licher Richtung, entsprechend den vor­herrschenden Winden. Ur­sprünglich handelte es sich um einen Stän­derbau mit dacht­ragenden, etwa 1,5 m tief eingegrabe­nen Pfosten, die auf Feldsteinen ruhten. Wenn bei höheren Was­serständen auch die Wände einge­drückt wer­den konnten, so blieben Ständer und Dach­konstruk­tion noch erhal­ten. Zwischen der Außen­mauer und den Ständern im Innern lau­fen in der Längsrichtung des Hauses schma­le Seiten­schif­fe mit abgeschrägten Decken (kat­schur). Erdbü­cher der frühen Neuzeit belegen, wie viele Häu­ser sich auf den Halligen dräng­ten. Neben eini­gen größeren Gebäu­den der in der frühen Neu­zeit reich geworde­nen friesi­schen Seefahrer gab es kleine Bauten, wie das nur 6,70 m lange und 1,80 m breite Ständer­haus der "Metje Swers" auf der Backenswarft von Hallig Hooge. Eine "Scher­wand" trennte das Haus von Nor­den nach Sü­den in zwei Hälften mit Wohn- und Schlafstube sowie Flur und Küche. Die Nord- und Südwand waren aus Flutsich­erungsgründen natur­gemäß stärker gebaut.  

Die heute noch erhaltenen oder nach den Brandkassen bekannten Häuser auf den Hal­ligen reichen jedoch nicht weiter als maximal 250 bis 300 Jahre zurück, sodass sich aus diesen Be­funden nicht auf die Haus­formen des Mit­tel­alters rück­schließen lässt. In die Betrachtun­gen sind jedoch ergänzend die historischen Be­schreibungen von Petreus und Heimreich (1688) einzubeziehen, die Wandkonstruktionen aus Erdsoden, Wasen (Stroh­wülste) oder Reet-Fach­werk beschreiben. Reste einer Sodenwand an der Stallseite sind in dem 1617 erbauten Haus Olesen auf Föhr erhalten, während die Querseite des Wirt­schaftsteils und der Spitzgie­bel hingegen eine Bretter­verkleidung auf­weisen. Die alten Sodenwände ersetzen nach und nach Füllungen von Ziegelsteinen und meist weiß getünchte mas­sive Zie­gelmauern. Bei einigen alten Häus­ern war das Funda­ment durch Feld­steine verstärkt. Die Backsteine der ein­fache­ren, alten Häuser waren mit einem im Laufe der Zeit hart werdenden Muschelkalk ver­fugt. Die Fußbö­den bestanden aus ge­s­tampf­tem Lehm, den später eine Holzdiele im Wohnbe­reich über­zog.

Eine Rekonstruktion der hoch- bis spätmittelal­terlichen Bauten auf den nordfriesischen Warf­ten ist anhand von Grabungsbefunden derzeit nicht möglich. Aufgrund der meist schlechten Erhal­tungsbe­dingungen in den aus Klei aufge­schichte­ten Warften und dem allgemein verbrei­teten Über­gang von der Pfosten- zur Schwell­rahmenbauwei­se lassen sich Ständerbauten nur schwer nachwei­sen.

 

Wasserversorgung 

Von ausschlaggebender Bedeutung für die Be­wirtschaftung und Be­wohn­barkeit der mittelalter­lichen Warft Hundorf war die Was­serversor­gung für Mensch und Vieh. Die Sicherstellung des Trink­wassers muß auch beim Bau mittel­al­terli­cher Warften auf eine ähnliche Art und Weise gelöst worden sein, wie es die rezenten Bei­spiele auf den Halligen bele­gen. Eine beson­ders ar­chai­sche Form stel­len dabei die Wasser­reser­voi­re auf den Warften im nordwestlichen Eider­stedt dar.

Solche Tauteiche füllten sich schnell mit Wasser, da in der Nacht mehr Feuch­tigkeit nied­ergeschla­gen wird, als tags­über ver­dunsten kann. Wenn das Stroh nass wird, hört die Spei­cherung des Wassers auf. Die nach Hinrichs auch als Tauteich be­zeic­hne­te alte Was­serträn­ke der Warft Hundorf wurde im Jahre 1875 beim Straßenbau durch­stochen. Die usprüngliche Breite des Tauteichs betrug 19 m, die Sohlen­breite 12,30 m und die Tiefe etwa 2 m. Von dem flachen, mul­den­förmi­gen Ein­schnitt steigen die Sei­ten­flächen unter einem Winkel von 155° zur Hori­zontalen hin an. In der Höhe der Wasser­fläche besaß das Be­cken eine Breite von 19 m und eine Länge von 36 m, was eine Wasser­fläche von über 600 m² ergibt. Die Breite von 19 m scheint etwas hoch­gegrif­fen zu sein. Der Feth­ing ist mit Sied­lungs­schichten des 12. bis 17. Jahrhun­derts verfüllt, sein Auf­bau war in dem Schnitt nicht klar zu erken­nen.

Von der Warft II erfolgte die Eintiefung eines Sodes, dessen unte­rer, etwa 2 m im Durch­mes­ser großer und noch 0,40 m tiefer Teil des Sodes bei NN +2,81 m erfaßt wurde. Ferner sei auf zwei zerstörte Soden­wand­brun­nen hinge­wie­sen: von dem einen sind nur noch die gegenseitig schräg zuein­ander geset­zten Soden erkennbar, die ein fisch­gräten­ähn­liches Muster ergeben. Der Brun­nen befand sich un­mit­telbar süd­lich des Fethings und durch­tiefte den Auftrag der Kern­warft. Der Rest eines weite­ren, vermut­lich in einen Auftrag der frühen Neu­zeit am Rand­be­reich der Warft ein­ge­tief­ten Soden­brun­nens konnte im Schnitt 2 erfasst wer­den.

Ein weiteres Aufmaß eines Wasserreservoirs liegt von der Nickelswarf vor, die nordwestlich des Poppenbül­ler Ring­deiches am Fallstief im Ver­lauf des Heverkoog­deiches liegt. Nach Angaben von K. Burk (1942) be­saß der bis 1 m unter der Marschoberfläche ver­tieft aus­ge­grabene, 3–4 m tiefe Feth­ing einen Durchmesser von etwa 18 m. An der Basis der mittel­alterlichen Großwarft Osterhever stieß Ban­telmann bei einer kleinen Ausschach­tung auf eine mit Soden eingefasste Wasserleitung, die zum Fet­hing führte. Ausgegra­be­ne Befunde zu Fethingen des Mittel­alters be­schränken sich jedoch auf wenige sporadische Beobachtungen und An­schnitte. So kam an der Basis der Warft Osterhe­ver-Dorf bei einem kleinen Schnitt von Bantelmann eine mit Soden einge­fasste Wasserleitung zutage, die zum Fet­hing führte.

Mehr­fach beschrieben ist dabei an­hand rezenter Beispiele die Trinkwas­ser­versor­gung auf den nordfriesi­schen Halligen. Die Wasserver­sor­gung von Mensch und Tier war dort streng vonei­nan­der ge­trennt. Im Mittel­punkt der Frisch­wasserver­sor­gung für das Vieh stand der Fething. Am Rande der Warft sammelt der Schetels Regenwasser und führt es durch Rohrleitungen zum Fething. Auch einige Tränkewasserbrunnen auf der Warft sind mit Rohrleitungen mit dem Fething verbunden. Die Wände der Zisternen (Sode) und der Tränke­wasserbrunnen sind im gleichen Zuge mit dem Erdauftrag des Warftköpers allmählich emporgezo­gen worden. Für den Men­schen diente das von den Däch­ern hera­bfließende Rege­nwas­ser, das durch gepfla­s­terte Rinnen in Ziste­rnen geleitet wurde. Die flaschenförmig auf­gebauten, mit So­den und später mit Backsteinen verkleideten Sode wiesen nur eine enge Öffnung auf, um ein Ein­dringen des Salz­wassers zu ver­hindern. Aus den Zister­nen schöpfte man das Wasser mit Ei­mern, die teils an Brunnen­bäumen hingen oder an ein­fachen Schöpfstangen befestigt wurden. Im Mittelpunkt der Tränke­ver­sorgung für das Vieh stand der Fething, der auf den Halli­gen bis 1 m in den Unter­grund unter der Warft reichte. Am Fuß manch­er Warf­ten finden sich als weite­re Was­ser­stellen soge­nannte Sche­tels, von denen mit Holzröhr­en das Wasser zum Fething gelei­tet wur­de. Durch ein ver­zweigtes Rohr­sys­tem gelangte das Tränk­wasser in brun­nenförmige Vertiefun­gen, die sich meist an den Stallenden befan­den.

 

Ringdeich

Am östlichen Rand der Warft 158 A erfolgte 1991 die Anlage eines 2 m breiten und 6 m langen Grabungsschnittes. Über dem anstehen­den, toni­gen Klei, der von südli­cher Rich­tung, mögli­cherwe­ise vom Tief der Lee­gesee oder vom Fallstief her, nach Norden zu einem Uferwall bis NN +0,80 m aufge­schich­tet war, wurde wohl im hohen Mit­telalter ein Damm oder klei­ner Binnen­deich errich­tet, der die süd­liche Fortsetzung des 1989 in zwei Schnitten dokumentierten Ring­dei­ches bildet. Der hier als Binnendeich angesproche­ne Auftrag aus So­den­pack­ungen mit einer stellen­weise nach­weisbaren Gras­narbe wurde auf dem er­höh­ten Uferwall aufge­worfen. Seine Kron­en­höhe lag bei NN +1,30 m, was der Deich­phase I des sonstigen Ring­deichver­laufes ent­sprach. Der eigentliche Fuß der Soden­packung konnte in Hundorf nicht freige­legt werden, sodass eine Inter­pretation als Deich letztlich fragwürdig bleibt. Die in Hundorf als Deich interpretierte Kleiso­denpackung lag unter einem bis NN +2 m hohen Kleiauftrag, den zwei jüngere Bo­den­ein­griffe störten. So war am süd­lichen Rand der heuti­gen Warft in einer 0,80 m brei­ten und sich bis auf 0,40 m verjü­ngenden Pfos­ten­grube ein 0,20 m breit­er und 0,70 m langer Pfo­sten ein­ge­tieft. Den rück­wär­tigen Teil der So­den­pa­ckung störte die Aus­schach­tung einer Brun­nen­grube. Von dem zerstörten Soden­wand­brun­nen fanden sich So­den­teile in der zupla­nier­ten Brun­nen­verfüllung. Die oberen 0,40 m bil­deten als Planie­rung ein sand­ig­er, grau­bra­uner Klei mit Ziegel­bruch.

 

Archäologische Funde

Obwohl die dünnen Siedlungsschichten im Un­ter­schied zu den mächtigen, fundleeren Kleiauf­trägen sorgsam freigelegt wur­den, kamen nur wenige archäol­og­ische Funde zutage, die je­doch zu einer sicheren Datierung der verschie­denen Siedlungs­phasen ausreichen. Aus den Planier- und Auftrags­schichten stam­men insgesamt 76 Tier­knochen, 29 mehr oder minder fragmentierte Metallreste, ein Stück Schlacke, 3 Glasscherben, 4 Pfeifenreste, ein Ziegel­bruch­stück, 14 kleine Holzstücke und zwei Muscheln.

Mit 911 Scherben bildet die Mas­se des Fundgu­tes die Keramik. Sieht man von etwa 100 frühn­euzeit­li­chen, glasierten Scherben aus dem Fething und dem humosen Berei­ch unter der Gras­narbe ab, dominiert mit 785 Scherben mittelalterli­che, hart gebrann­te Grauwa­re. Ferner sind 25 Stein­zeug­scherben zu erwäh­nen. In Hun­dorf fand im Mittel­alter aus­schließ­lich einheimi­sche, hart ge­brannte Grau­ware Ver­wen­dung. Eine Ausnahme stellt der Fund einer Pings­dorf Rand­scherbe dar.

Charak­teristisch für die Warft I sind braun­schwar­ze, unver­zierte Kugeltöpfe hart ge­brannter Grau­ware mit ausbiegenden und abge­rundeten oder wulstartig verdickten, in der Regel nur wenig profilierten Rändern. Die aus­ge­bogenen, teil­weise ge­kehlten Rän­der sind zumeist deut­lich von der bauchi­gen Gefäß­wan­dung abge­setzt und über­wiegend schräg nach außen ab­gestrichen; weit seltener sind kurze, einfach abge­rundete Rand­profile vertre­ten. In der erweiterten Warft I kommen bauchige Kugel­töpfe mit deutlichem Hals, betonter Schulter und stärker profilierten, mit dem Formholz be­arbeiteten Rändern in Mode. Neben einfachen Randformen treten nun auch dachförmig gestal­tete Ränder auf. 

In der Warft II fanden sich neben bauchigen und steil­wandigen Kugel­töpfen mit wulst­artig verdickten Rändern und dünner Wan­dung auch solche mit nahezu viereckig profilier­ten und gekehl­ten Randprofil­en. Verein­zelt ist auch die Benut­zung von Kannen nach­gewiesen, darunter solcher aus Stein­zeug.

Da die stratigraphisch älteste Kugeltopfkera­mik in Hundorf überwiegend schräg nach außen abge­strichene und mit dem Formholz bearbeite­te Rän­der auf­weist, wird man den Beginn der ältesten Warft­phase nicht vor dem 11./12. Jahrhundert anset­zen können. Innen ge­kehlte Ränd­er, wie sie in Hundorf aus Schichten der Warft I mit ihren Erweiterungen belegt sind, leiten in das 12. Jahr­hundert über.  Die wulst­artigen und keulen­artigen Ränder ge­hören ebenfalls in diese Zeit. Mit einem Form­holz bear­beite­te, dachförmige Ränder kamen in Welt Schich­ten des 13. Jahr­hun­de­rts vor, in Hundorf trat­en sie vor allem in der erweiterten Warft I auf.

Die viereck­ig profi­lierten Randpro­file der Warft Welt aus der jüngeren Warft II sind dem 14. Jahr­hun­dert zu­zuor­dnen. Aus Wattfunden im nord­friesi­schen Wat­ten­meer sind solche Rand­formen ebenfalls vor allem aus dem 14. Jahr­hundert bekannt. Sie finden Entsprechungen in der Warft II in Hundorf. Die ältesten Funde aus dem 12. Jahrhundert in Hundorf erinnern an ähnliche Kugeltöpfe aus Lütjenbüttel in Dithmarschen. Auch die Höhe dieser Warft betrug wie in Norderbusenwurth und in Hundorf NN +3 m im 12. Jahrhundert. Beide hochmittelalterliche Warften in Dithmarschen wuren im 14. Jahrhundert ebenfalls erhöht.

 

Zusammenfassende Ergebnisse

Die im nördlichen Teil Eiderstedts auf niedriger Marsch errichtete Warft Hundorf gehört zum Typ der seit dem hohen Mittelalter in schneller zeitlicher Folge mit Klei aufgehöhten Warften. Nach der aus schmalen Sied­lungs­schichten geborge­nen Keramik erfolgte die Errichtung der ältes­ten, bis NN +3,00 m hoch auf­geschütteten Kernwarft (Warftphase I) im 11./12. Jahr­hun­dert. Im 12. Jahr­hundert nah­men die Bewohner eine erneute Vergrößerung vor (Warft­phase II). Im nördli­chen Teil des Grabungs­schnittes ist mit der Warftphase III eine wei­tere Erweiter­ung nachge­wiesen, die sich in zwei Phasen unter­teilen lässt und das fortge­schrittene 12. sowie das 13. Jahr­hund­ert umfasst. Die ältesten Erweiterungen erfolgten stets in der Weise, das über Mistlagen mächtige Klei­aufträge aufgepackt wurden, wobei bis in das 13. Jahrhun­dert die Siedelhöhe von NN +3,00 m unverändert blieb. Im 14. Jahrhundert erfolg­te - wohl als Reak­tion auf die teilweise katastrophalen Sturmfluten dieses Zeitraumes - eine Erhöhung auf NN +3,80 m. Am Ende die­ses Jahr­hun­derts fällt die Warft wüst, eine kurzzei­tige Wie­der­be­sied­lung mag in der frühen Neu­zeit erfolgt sein. Diese ging mögli­cherweise mit einer erneuten Warftvergrößerung einher, die im Süden den alten Ringdeich über­deckte.

 

Literatur

Dirk Meier, Mittelalterliche Halligwarften im nordwestlichen Eiderstedt. Die Heimat, Heft 10/11, 1991, 253-262.

Dirk Meier, Landschaftsentwicklung und Siedlungsgeschichte des Eiderstedter und Dithmarscher Küstengebietes als Teilregionen des Nordseeküstenraumes. Teil 1: Die Siedlungen; Teil 2: Der Siedlungsraum. Untersuchungen AG Küstenarchäologie des FTZ-Westküste = Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 79 (Bonn 2001), Habelt.

Dirk Meier, Die Nordseeküste. Geschichte einer Landschaft (²Heide 2007), Boyens.

Dirk Meier, Die Eider. Flusslandschaft und Geschichte (Heide 2016), Boyens.

Dirk Meier, Die Halligen (Heide 2020), Boyens.

Dirk Meier u. Wilhelm G. Coldewey, Wasserversorgung in den Nordseemarschen von der römischen Kaiserzeit bis in das Mittelalter. In: Deutsche Wasserbauhistorische Gesellschaft (Hrsg.), Chr. Ohlig (Red.), Zehn Jahre wasserhistorische Forschungen und Berichte. Teil 1, 2012, 249–260.

D. Meier u. W. G. Coldewey: Wasserversorgung in den schleswig-holsteinischen Marschengebieten. Grundwasser. Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie 20, Heft 1, 3–11