Ausgrabung: Wellinghusen
Das Dithmarscher Küstengebiet im frühen Mittelalter
Wie um 804 das friesische Volksrecht (Lex Frisonum) überliefert, siedelten vom Rhein-Maas-Schelde Ästuar bis zur Weser Friesen. Da dieses Gebiet zwischen 719 und 790 in das Fränkische Reich einbezogen worden war, wichen friesische Migranten diesem Druck aus und erschlossen in einer maritimen Landnahme die Küstenregionen nördlich der Eider, da die Marschen weiter südlich bis zur Elbe von Dithmarschern besiedelt waren. Letztere zählt Adam von Bremen in seiner um 1075 verfassten Hamburger Kirchengeschichte (II, 15) neben den Holsten und Stormarn zu den drei nordelbischen Sachsenstämmen.
Kurz vor 800 war Nordelbien (Nordalbingien) in die Auseinandersetzungen zwischen Franken, Sachsen, Slawen und Dänen hinein geraten. Ausgangspunkt waren die Sachsenkriege Karls des Großen, die sich seit 772 wider Erwarten und/oder wegen ihres brutalen Vorgehens über Jahrzehnte hinzogen. Um auch die Sachsen nördlich der Elbe zu unterwerfen, verbündete sich Karl mit dem slawischen Stamm der Abodriten und dessen Herrscher Drăsco, der nach den Fränkischen Reichsannalen mit Hilfe fränkischer Legaten die nordelbingischen Sachsen 798 auf dem Sventanafeld bei Bornhöved schlug. Karl wollte zunächst zwar diese in das Reichsinnere zu deportieren, doch kam dies kaum zur Ausführung, denn er brauchte diese als Verbündete in der unsicheren Grenzsituation. Die Sachsen durften in dem 802 erlassenen Lex Saxonum ihr eigenes Stammesrecht behalten. Nachdem Karl den Abodriten erst das sächsische Land nördlich der Elbe überlassen wollte, entschloss er sich doch zu einer Regelung der nordelbischen Grenzverhältnisse: So wurde 811 in einem Vertrag mit dem dänischen König Hemming die Eider als Grenze festgelegt, und der bei Adam von Bremen (II, 15b) beschriebene Limes Saxoniae, ein Ödland- und Waldgebiet, bildete wohl seit 808/810 zwischen Kieler Förde und Elbe die Grenzregion zu den Abodriten. Zum Ausgangspunkt der Mission Nordelbiens wurde Hamburg, wobei um 820 mit Schenefeld für Holstein und Meldorf für Dithmarschen neben Hamburg für Stormarn zwei weitere Urkirchen nördlich der Elbe bei Adam von Bremen (II, 15) überliefert sind.
So führt er aus: „Der nordelbischen Völker der Sachsen sind drei, als erste sind am Meer die Dithmarscher, und ihre Mutterkirche befindet sich in Meldorf, als zweite die Holsteiner, benannt nach den Wäldern, die sie bewohnen; zwischen ihnen fließt der Fluss Stör, (ihre) Kirche ist in Schenefeld; die dritten und namhaftesten werden Stormarn genannt, weil dieser Stamm häufig zu Unruhen neigt. In ihrer Mitte erhebt die Metropole Hammaburg ihr Haupt, die früher reich an Männern und Waffen war, ergiebig an Land und Früchten.“
Hamburg ebenso wie Stade bildeten dabei wichtige Stützpunkte des maritimen fränkischen-friesischen Fernhandels, der von Dorestad im mittelholländischen Flussgebiet ausgehend den Nordseeraum umfasste und über Eider und Treene bis nach Haithabu an der Schlei vordrang. Vom Fernhandel profitierte dabei auch das Dithmarscher Küstengebiet. Während dabei von der Elbe im Süden bis Meldorf und vermutlich darüber hinaus bis Wöhrden der bereits in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten besiedelte Küstenabschnitt von bäuerlichen Siedlergruppen in Besitz genommen worden war, erstreckte sich nach Aussage archäologischer Untersuchungen in der Dithmarscher Nordermarsch die erschlossene, jung aufgelandete Seemarsch westlich des vermoorten Altsiedellandes der römischen Kaiserzeit.
Die Verteilung der heutigen Wurtendörfer lässt hier zwei Reihen erkennen, eine innere mit Wesselburen, Hassenbüttel, Wellinghusen und Wöhrden sowie eine westlichere mit den jüngeren Wurtendörfern Süderdeich, dem wüsten Westerbüttel und Großbüttel, während in Süderdithmarschen südlich von Wöhrden bis zur Elbe nur eine Reihe großer Dorfwurten existiert. Priele verbanden als Verkehrswege diese Siedlungen teilweise nicht nur miteinander, sondern schufen auch einen Kontakt zur See. Den älteren Dorfwurten gemeinsam ist neben ihr runden oder ovalen Form ihr differenzierter Aufbau aus Mistaufträgen, abdeckenden Kleilagen und Siedlungsschichten im unteren Bereich mit darüber liegenden Kleiaufträgen des 12. bis 14. Jahrhunderts. Dies gilt beispielsweise für die mit einem Bohrschnittprofil erschlossene, auf einem Uferwall angelegte Dorfwurt Ammerswurth südwestlich von Meldorf. Diese besteht in ihrem unteren Teil bis zu einer Höhe von NN +3,10 m aus einer differenzierten Schichtenfolge aus Mist-, Siedlungs- und Kleischichten, die hoch- bis spätmittelalterliche Kleiaufträge bis zur heutigen Höhe von NN +5,30 m bedecken. Einen ähnlichen Aufbau weisen auch die Dorfwurten Fahrstedt bei Marne, Elpersbüttel, Wöhrden, Wellinghusen, Hassenbüttel und Wesselburen auf, während die Wurten Thalingburen (nördliche Wurt) und Großbüttel nach Bohrprofilen zu schließen überwiegend aus Klei aufgetragen worden sind. Die in dem im 15. Jahrhundert zurückgenommenen Seedeich einbezogene Dorfwurt Großbüttel wurde dabei wohl erst im Hochmittelalter aus Klei bis NN +3 m hoch aufgeschüttet und im späten Mittelalter bis NN +5,30 m erhöht. Im Unterschied zu den runden Dorfwurten besitzen die erst im Hochmittelalter angelegten Wurten auf der Insel Büsum (Büsum, Büsumer Deichhausen) sowie Schülp eine langrechteckige Form auf und sind ebenso wie die in dieser Zeit angelegten länglichen Gewerbewurten mit Sielhäfen (Norddeich, Reinsbüttel) aus Klei aufgetragen worden. Die umfangreichsten archäologischen Untersuchungen frühmittelalterlicher Dorfwurten erfolgten in Wellinghusen und Hassenbüttel.
Archäologische Befunde von Wellinghusen
Im Westen der Dithmarscher Nordermarsch erstreckt sich nordwestlich von Wöhrden die im Durchmesser etwa 280 m lange und 180 m breite, wüste Dorfwurt Wellinghusen, die an ihrer höchsten Stelle mit NN +6,20 m etwa 5 m über der Marsch aufragt und mit ihren Kuppen noch an die ehemaligen zusammengewachsenen Einzelhofwurten erinnert. Auf der Gemarkungskarte von 1876 stehen auf der westlichen Seite der "Die Wurth" genannten fast wüsten Dorfwurt nur noch zwei größere, in west-östlicher Richtung orientierte landwirtschaftliche Gebäude sowie ein kleiner Nebenbau. Ferner ist ersichtlich, dass die Landstraße noch weiter nördlich herumführt. Nordwestlich der Dorfwurt liegen mehrere, miteinander verbundene hoch- bis spätmittelalterliche Hofwurten. Heute umfassen Wellinghusen die Sielzüge Süder- und Norderkanal, die westlich in den Großen Kanal münden, über den die Entwässerung zur Nordsee führt. Der Ortsname Wellinghusen wird erst 1560 urkundlich erwähnt und dürfte sich auf die Ansiedlung nördlich der in dieser Zeit vermutlich schon weitgehend verlassenen Dorfwurt beziehen.
Zur frühmittelalterlichen Landnahmezeit schuf nach Radiokarbondatierungen (KI-3936) ein um 555–660 n. Chr. mit Schilf (Phragmites) bewachsener, von Prielen halbinselartig eingefasster, bis NN +1,80 m hoher Marschrücken gute Möglichkeiten zur Anlage erster Wohnplätze als Flachsiedlung für ihre extensive, vor allem auf Viehhaltung beruhende Wirtschaftsweise. Ein 6 m breiter und bis NN +0,60 m tiefer Priel durchzog den Uferwall und die anschließende um NN +1 m hohe Marsch. Senken und Rinnen westlich und südlich von Wellinghusen belegen ebenso wie der geschwungene Verlauf von Gräben weitere ehemalige Priele, die älter als der hochmittelalterliche Deichbau sind.
Den paläobotanischen Untersuchungen nach war während der im 7./8. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Flachsiedlung das umgebende nasse Schilfgrünland nur schwach salzwasserbeeinflusst. Andererseits war die beweidete Salzmarsch mit Milchkraut (Glaux maritima), Schuppenmieren (Spergularien), Salzschwaden (Puccinellia) und Salz-Dreizack (Triglochin maritimum) nicht weit. Auf den am höchsten gelegenen Flächen des Prieluferwalls war der Anbau von Vierzeil-Spelzgerste (Hordeum vulgare vulgare), Roggen (Secale cereale), Hafer (Avena) und Leinen (Linum usitatissimum) möglich. Ferner ist Hasel (Corylus avellana) belegt. Vorkommen von Vaccininum und Heide (Calluna) belegen Kontakte der Menschen zur Geest, von auch das Bauholz stammte. Weitere paläobotanische Proben aus den ersten Wurtaufträgen des 9. Jahrhunderts deuten an, dass das umgebene Grünland nass und ausgesüßt bis stark salzwasserbeeinflusst war. Während der jüngeren Wurtphasen seit dem 10. Jahrhundert nahm der Salzwassereinfluss hingegen zu, was auf höher auflaufende Sturmfluten schließen lässt.
Der regelmäßige Wechsel horizontal gelagerter Siedlungs- und Auftragsschichten der Hofwurten im Westen der heutigen Dorfwurt gab 1994 den Ausschlag für die Anlage eines 30 m langen, 12 m breiten und bis 6 m tiefen Grabungsschnittes. Der Osten der heutigen Dorfwurt besteht hingegen überwiegend aus massiven Mistschichten.
Die hier auf dem bis NN +1,80 m hohen Uferwall angelegten Wohnstallhäuser (Siedlungshorizont 1), von denen das im Grabungsschnitt auf Hofplatz II errichtete Haus um oder nach 691 n. Chr. erbaut worden war, waren auf 0,20 m mächtigen Sodenpodesten erbaut. Den Hofplatz II begrenzte möglicherweise ein Flechtzaun. Das nur randlich erfasste Gebäude mit seiner Flechtwerkwand mit eingearbeiteten Spaltbohlen lag südlich eines weiteren Hofplatzes (I) und war von diesem durch den erwähnten Priel getrennt. Auch zu diesem Hofplatz gehörte ein Wohnstallhaus mit Flechtwerkwänden und eingearbeiteten, das Rähm tragenden Spaltbohlen, dessen mit Soden ausgelegtes Stallteilende erfasst wurde. Der Laufhorizont befand sich ebenfalls bei etwa NN +2 m. Der Wohnplatz überlagerte teilweise einen etwa 1 m breiten und 0,50 m tiefen mit Mist verfüllten Graben eines älteren, vermutlich weiter östlich gelegenen Hofareals. Am Giebelende des Stalles befand sich eine Tür, aus dem ein mit Flechtmatten belegter Weg herausführte. Zu diesem Hofareal gehörte eine runde, bis in die schluffigen Sedimente des Untergrundes eingetiefte, später mit Mist verfüllte Grube.
Nach Aufgabe der beiden Häuser erhöhten die Siedler ihre Hofplätze bis NN +3 m mit Mist und Klei und deckten diese mit Kleisoden ab (Siedlungshorizont 2). Kleisodenwälle umgaben die Mistaufträge. Diese Aufträge erfolgten frühestens um oder nach 764, bestehen aber sicherlich schon um 820 n Chr. (+14/-4 Jahre), wie die Fälldaten zweier Nebengebäude eines auf der Hofwurt I errichteten Wohnstallhauses andeuten, wobei eine sekundäre Verwendung der älteren Bohle nicht auszuschließen ist. Ein weitere Altersangabe von 785 n. Chr. stammt aus der in dieser Zeit errichteten oder erneuerten, aus parallelen Bohlen bestehenden Brücke, die den Priel überquerte. Dessen Böschungen sicherten teilweise angespitzte Hölzer gegen Verrutsch. Auf der Hofwurt I wurde ein 5,20 m breites, abmontiertes Wohnstallhaus mit umgelegten Flechtwerkwänden und darin eingelassenen, viereckigen, ehemals das Rähm tragenden Pfosten erfasst. Schräge Außenstützen, wie sie von der friesischen Marschensiedlung am Elisenhof bei Tönning bekannt sind, fehlen. Der Stallbereich fiel nach Westen etwas ab. Im Stallbereich stand das Vieh in Boxen mit dem Kopf zur Außenwand, deren Wände aus Rund- und Spalthölzern gefertigt waren. Beiderseits des mit Kleisoden ausgelegten Stallganges verliefen aus Bohlen gezimmerte Jaucherinnen. Für den Hausbau hatte man überwiegend Eiche und Erle verwendet. Nach einem Brand dürfte das Gebäude einmal erneuert worden sein. Südlich dieses Wohnstallhauses befanden sich die schon erwähnten kleinen Nebenbauten, deren erhaltene Teile sich allerdings auf die Reste kräftiger Eichenspalthölzer, Rundhölzer oder Birkenstaken von Flechtwerkwänden sowie Sodenlagen als Fußböden beschränkten. Nahe des einen Baus befanden sich verbrannte Steine. Die Zuordnung weiterer Pfosten zu Baubefunden ist nicht möglich. Im Zuge der Erweiterung beider Hofwurten verfüllte man den Priel im Verlauf des 9. Jahrhunderts mit Mist.
Mit dem Siedlungshorizont 3, der das späte 9. Jahrhundert umfasst, vollzog sich eine Erhöhung und weiterer Ausbau der Wurt mit Mist und Siedlungsmaterial bis zu einer Höhe von NN +3,50 m. Indem die noch bestehenden Zwischenräume zwischen den Hofwurten aufgefüllt wurden, entstand eine einheitlichere Oberfläche, wobei die alte Prielsenke nun völlig mit Mist und Siedlungsmaterial verfüllt war. Mit weiteren Aufträgen aus humosem Siedlungsmaterial, Mist und abdeckenden Kleilagen sowie Kleisoden erfolgte dann im 10. Jahrhundert (Siedlungshorizont 4) eine nochmalige Erhöhung der Dorfwurt bis auf NN +4 m. In diese Phase gehört ein 3,70 m breiter Kleinbau mit Flechtwerkwänden, der in seiner Lage nicht an die älteren Hofareale anknüpft. Das auf einer Länge von 6,70 m erfasste einschiffige Gebäude besaß an der nördlichen Seite eine Tür, dessen Schwelle auf einer Höhe von NN +3,77 m lag. Der östliche Firstpfosten bestand aus zwei mit einander durch Anblattung und Dübelung verbundenen Pfosten, da Bauhölzer in der baumlosen Seemarsch wertvoll waren. Den Wohnplatz umgab ein Graben. Über diesem abgebrannten Kleinhaus befand sich bei NN +3,90 m ein zweites, nur in Resten erhaltenes Gebäude. Eine als Fußbodenbelag wohl sekundär verwendete Flechtwand, eine wieder genutzte Spaltbohle sowie drei Eichenpfosten der östlichen Giebelseite lassen sich noch als Reste dieses Kleinbaus ansprechen. Der Fußboden bestand ansonsten ebenfalls aus Kleisoden. Eine Lage brandmürber Steine deutet auf eine Feuerstelle hin. Weitere Pfosten lassen sich nicht zu Baubefunden ergänzen.
Während im frühen Mittelalter die Erhöhung und der Ausbau der Wurt überwiegend mit dem bei der extensiven Viehhaltung angefallenen Mist erfolgte, änderte sich dies seit dem Hochmittelalter. Nun bestanden die Wurtaufträge überwiegend aus Klei, während man den Mist als Dung auf die Felder brachte. In den Profilen nachweisbare Brandschichten belegen in Wellinghusen zwei Kleiaufträge (Siedlungshorizonte 5 und 6), die mit Höhen von NN +5 und +6,20 m das 12. und 14. Jahrhundert umfassen. Zu den hochmittelalterlichen Befunden gehören die randlich angeschnittene Baugrube eines großen Brunnens sowie Pfostengruben von Gebäuden.
Wirtschaft und archäologische Funde
Das tägliche Leben der Bewohner dokumentieren die zahlreiche Funde. Die im Hauswerk hergestellte frühmittelalterliche Keramik gehört zur weichen und harten Grauware. Die im Verhältnis zur Schnittgröße und Schichtmächtigkeit mit etwa 885 Scherben nur geringe Anzahl deutet auf nur weniger Gefäße im Hausbereich hin. Die Scherben der weichen Grauware und wenigen Reste der Muschelgrusware verteilen sich dabei in einer etwa 3 m mächtigen Schichtenfolge auf einen Zeitraum von etwa 400 Jahren, wobei die Masse der Zeit vom 7./8. bis in das 9. Jahrhundert gehört (Siedlungshorinzonte 1–3) und im 10. Jahrhundert (Siedlungshorizont 4) stark abnimmt. Die aus den SH 1–2 geborgene Keramik bestand ausschließlich, die aus den SH 3–4 geborgene Keramik in weit überwiegendem Maße aus der weich gebrannten Grauware, dicker Wandung und grober Gesteinsgrusmagerung. In den unteren Horizonten (SH 1–3) treten sowohl handgemachte ei-förmige Töpfe als auch einfache Kugeltöpfe mit S-förmigen Profil und mit kurzen, meist abgerundeten oder zipfeligen Rändern, grober Gesteingrusmagerung und schlechtem Brand sowie Flach- oder Wackelboden auf. Im 9./10. Jahrhundert weichen die ei-förmigen Töpfe – wie auch aus anderen Marschensiedlungen dieser Zeit belegt – Kugeltöpfen mit profilierten und abgesetzten Rändern. Zur Zeit des Siedlungshorizontes 4 im 12. Jahrhundert umfasst das Gefäßspektrum in Wellinghusen fast ausschließlich Kugeltöpfe mit stark ausladenden, langen, mehr oder minder spitz zulaufenden oder abgerundeten Rändern. Nun treten erstmals auch Kugeltöpfe der hart gebrannten Grauware auf.
Daneben sind in Wellinghusen 70 Scherben der Muschelgrusware geborgen worden, die als Produkte des friesischen Fernhandels gelten und vor allem aus den Siedlungshorizonten 3 und 4 stammen. Die frühesten Belege reichen jedoch bis in den Siedlungshorizont 2 zurück. Das erste Auftreten der Muschelgrusware ist anhand zuweisbarer dendrochronologischen Datierungen vor 785 belegt. Während im niederländischen und niedersächsischen Küstengebiet häufig über die Hälfte der Tonware aus Muschelgrusmagerung ausweist, macht der Anteil dieser Tonware auf der friesischen Marschensiedlung am Elisenhof bei Tönning im 9. Jahrhundert immerhin noch ein Viertel aus. In Wellinghusen liegt hingegen der Anteil noch weit darunter, was als Indiz für eine sächsische Bevölkerung zu werten ist. Eine aus dem Siedlungshorizont 3 geborgene Randscherbe eines Hängegefäßes findet einzelne Parallelen auf dem Elisenhof aus Schichten des 8. bis 10. Jahrhunderts. Weitere Vergleichsfunde stammen aus Haithabu. Einige Gefäße weisen Henkel und Stempelverzierungen auf.
Die Kleinfunde umfassen neben Schmuck- und Trachtbestandteilen, wie Perlen als Resten von Ketten, vor allem Gebrauchsgegenstände. Dazu gehört ein aus einer Auftragsschicht des Siedlungshorizontes 4 geborgener Dreilagenkamm (Gruppe F nach Tempel), der als Import nach Dithmarschen gelangte. Kämme dieses Typs treten in den ältesten Schichten des Handelsplatzes Haithabu auf, wo sie wie auf der Wurt Elisenhof mit muschelgrusgemagerter Keramik vergesellschaftet sind. Ähnliche Dreilagenkämme kommen ferner auf anderen friesischen Marschensiedlungen sowie in zahlreichen skandinavischen Grabfunden im Zeitraum des Berdalstils vor. Demnach dominieren solche Kämme im 9. Jahrhundert, beginnen vielleicht aber noch im 8. Jahrhundert und reichen bis in die ersten Jahrzehnte des 10. Jahrhunderts.
Aus Holz war in Wellinghusen ein Spindelstab gefertigt. Zur Beschwerung der Spindeln dienten Spinnwirtel. Ein Knochenspinnwirtel stammt zusammen mit Webgewichten aus Ton aus einem möglicherweise im Nordprofil randlich erfassten Sodenwandbau. Ein flaches Webgewicht weist nach seiner Verzierung mit Kreuzstempeln nach Vergleichsfunden in das 9./10. Jahrhundert. Bereits in den karolingischen Schriftzeugnissen ist von den bekannten friesischen Tuchen (pallia) als Handelsgut die Rede, die auf solchen Webstühlen hergestellt wurden.
Dem Schärfen der in Schichten des 8. und 9. Jahrhunderts in Wellinghusen gefundenen Griffangelmesser mit gerader Schneide und gebogenem Rücken dienten verschiedene Schleif- oder Wetzsteine. Die ältesten bestehen aus Gesteinsarten einheimischen Geschiebes, dazu treten als Import seit dem 9. Jahrhundert am Ende durchlochte Exemplare aus norwegischem Tonschiefer auf, die vermutlich als Gegenstände des täglichen Gebrauchs ständig mitgeführt wurden. Die Herkunft des Rohmaterials der größeren und gröberen Schleifsteine ist unbekannt. Diese wurden wahrscheinlich aus eiszeitlichem Geschiebe hergestellt. Als Import ist auch der Überrest zweier Mahlsteinbruchstücke aus rheinischer Basaltlava anzusprechen.
Wie die aus Knochen, Geweih und Ton gefertigten Gegenstände lassen sich auch einige aus Holz gefertigte Funde dem täglichen Gebrauch zuordnen. Dazu gehören zwei Holzschalen, darunter eine kleine mit umlaufender Rillenverzierung aus dem Siedlungshorizont 4 des 10. Jahrhunderts. Solche gedrechselten Schalen verwendete man als Servier- und Aufbewahrungsgefäße, deren Benutzung auf dem Eß- oder Serviertisch auch auf dem Bildteppich von Bayeux belegt ist, der die Schlacht von Hastings 1066 zeigt. In dieser schlug der Normannenherzog Wilhelm den englischen König Harald II.
Aus Holz wurden auch andere Geräte und Gegenstände in Wellinghusen gefertigt, wie Stiele oder Dübel. Ferner fanden sich Reste eines Holzdeckels oder einer Speiseplatte. Zu den gängigen Funden gehören auch Holzstäbchen mit einer Spitze. Ähnliche Exemplare wurden in Elisenhof als Stäbchen zum Verschließen von Wurstdämmen oder Pansen gedeutet. Einige Holzgegenstände lassen sich hinsichtlich ihrer Funktion nicht sicher ansprechen. Dies gilt etwa für eine Holzscheibe mit mehrfacher Durchbohrung. Ein ähnliches Stück auf dem Elisenhof wurde vor anhand volkskundlicher Parallelen als Seitenteil einer Hängewiege gedeutet.
Die geborgenen Lederreste umfassen Abfälle, Riemen und Teile von Schuhen halb hoher Form ohne Randversäuberung. Flicken und Reparaturnähte belegen den starken Gebrauch der Fußbekleidung. Zur Herstellung von frühmittelalterlichem Schuhwerk und anderer Gebrauchsgegenstände verwendete man neben Ziegenleder vor allem Kalbs- und Rinderleder. Die Bekleidung bestand aus Textilien und Wolle.
Zusammenfassend betrachtet belegen die archäologischen Funde eine weitgehend autarke Bevölkerung, die im frühen Mittelalter aber auch vom maritimen fränkisch-friesischen Ferrnhandel profitierte. Die Wirtschaft der frühmittelalterlichen Marschensiedlung beruhte vor allem auf Viehhaltung, in erster Linie von Rindern und Schafen. Daneben wurden auch Ziegen, Schweine, Pferde, Hunde und Katzen gehalten. Hinzu kamen Hühner und Hausgänse. Während der Sommermonate auf den höheren Partien des Uferwalles Spelzgerste, Gerste, Roggen, Hafer, Lein und Flachs angebaut.
Im späten Mittelalter endete die dichte Besiedlung der Dorfwurt, da mehr und mehr Höfe in das nach der Bedeichung urbar gemachte Sietland ausgebaut wurden und neben der alten Wurtensiedlung seit dem 12. Jahrhundert eine langgestreckte Wurt entstand. Einem 1996 angelegten Grabungsschnitt zufolge waren hier die Hofstellen über der NN +1,40 m hohen Marsch auf etwa NN +3 m hohen Wurten aus Klei errichtet. Nachgewiesen wurde auch ein großer Brunnen.
Eine erste Ausweitung der Besiedlung im Dithmarscher Küstengebiet lässt sich bereits für das 10. Jahrhundert feststellen. Da nicht mehr in ausreichendem Maße höher aufgelandete Flächen zur Verfügung standen, wurden auch niedrige, häufiger von Salzwasser überschwemmte Marschflächen besiedelt, wie das Beispiel der Dorfwurt Hassenbüttel 2 km nördlich von Wellinghusen belegt.
Blick auf Wellinghusen (c) DM