Ausgrabung: Wellinghusen

Das Dithmarscher Küstengebiet im frühen Mittelalter

Wie um 804 das friesische Volksrecht (Lex Frisonum) überliefert, siedelten vom Rhein-Maas-Schelde Ästuar bis zur Weser Friesen. Da dieses Gebiet zwischen 719 und 790 in das Fränkische Reich einbezogen worden war, wichen friesische Migranten diesem Druck aus und erschlossen in einer maritimen Landnahme die Küstenregionen nördlich der Eider, da die Marschen weiter südlich bis zur Elbe von Dithmarschern besiedelt waren. Letztere zählt Adam von Bremen in seiner um 1075 verfassten Hamburger Kirchengeschichte (II, 15) neben den Holsten und Stormarn zu den drei nordelbischen Sachsenstämmen.

Kurz vor 800 war Nordelbien (Nordalbingien) in die Auseinandersetzungen zwischen Franken, Sachsen, Slawen und Dänen hinein geraten. Ausgangspunkt waren die Sachsenkriege Karls des Großen, die sich seit 772 wider Erwarten und/oder wegen ihres brutalen Vorgehens über Jahrzehnte hinzogen. Um auch die Sachsen nördlich der Elbe zu unterwerfen, verbündete sich Karl mit dem slawischen Stamm der Abodriten und dessen Herrscher Drăsco, der nach den Fränkischen Reichsannalen mit Hilfe fränkischer Legaten die nordelbingischen Sachsen 798 auf dem Sventanafeld bei Bornhöved schlug. Karl wollte zunächst zwar diese in das Reichsinnere zu deportieren, doch kam dies kaum zur Ausführung, denn er brauchte diese als Verbündete in der unsicheren Grenzsituation. Die Sachsen durften in dem 802 erlassenen Lex Saxonum ihr eigenes Stammesrecht behalten. Nachdem Karl den Abodriten erst das sächsische Land nördlich der Elbe überlassen wollte, entschloss er sich doch zu einer Regelung der nordelbischen Grenzverhältnisse: So wurde 811 in einem Vertrag mit dem dänischen König Hemming die Eider als Grenze festgelegt, und der bei Adam von Bremen (II, 15b) beschriebene Limes Saxoniae, ein Ödland- und Waldgebiet, bildete wohl seit 808/810 zwischen Kieler Förde und Elbe die Grenzregion zu den Abodriten. Zum Ausgangspunkt der Mission Nordelbiens wurde Hamburg, wobei um 820 mit Schenefeld für Holstein und Meldorf für Dithmarschen neben Hamburg für Stormarn zwei weitere Urkirchen nördlich der Elbe bei Adam von Bremen (II, 15) überliefert sind.

So führt er aus: „Der nordelbischen Völker der Sachsen sind drei, als erste sind am Meer die Dithmarscher, und ihre Mutterkirche befindet sich in Meldorf, als zweite die Holsteiner, benannt nach den Wäldern, die sie bewohnen; zwischen ihnen fließt der Fluss Stör, (ihre) Kirche ist in Schenefeld; die dritten und namhaftesten werden Stormarn genannt, weil dieser Stamm häufig zu Unruhen neigt. In ihrer Mitte erhebt die Metropole Hammaburg ihr Haupt, die früher reich an Männern und Waffen war, ergiebig an Land und Früchten.“

Hamburg ebenso wie Stade bildeten dabei wichtige Stützpunkte des maritimen fränkischen-friesischen Fernhandels, der von Dorestad im mittelholländischen Flussgebiet ausgehend den Nordseeraum umfasste und über Eider und Treene bis nach Haithabu an der Schlei vordrang. Vom Fernhandel profitierte dabei auch das Dithmarscher Küstengebiet. Während dabei von der Elbe im Süden bis Meldorf und vermutlich darüber hinaus bis Wöhrden der bereits in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten besiedelte Küstenabschnitt von bäuerlichen Siedlergruppen in Besitz genommen worden war, erstreckte sich nach Aussage archäologischer Untersuchungen in der Dithmarscher Nordermarsch die erschlossene, jung aufgelandete Seemarsch westlich des vermoorten Altsiedellandes der römischen Kaiserzeit.

Die Verteilung der heutigen Wurtendörfer lässt hier zwei Reihen erkennen, eine innere mit Wesselburen, Hassenbüttel, Wellinghusen und Wöhrden sowie eine westlichere mit den jüngeren Wurtendörfern Süderdeich, dem wüsten Westerbüttel und Großbüttel, während in Süderdithmarschen südlich von Wöhrden bis zur Elbe nur eine Reihe großer Dorfwurten existiert. Priele verbanden als Verkehrswege diese Siedlungen teilweise nicht nur miteinander, sondern schufen auch einen Kontakt zur See. Den älteren Dorfwurten gemeinsam ist neben ihr runden oder ovalen Form ihr differenzierter Aufbau aus Mistaufträgen, abdeckenden Kleilagen und Siedlungsschichten im unteren Bereich mit darüber liegenden Kleiaufträgen des 12. bis 14. Jahrhunderts. Dies gilt beispielsweise für die mit einem Bohrschnittprofil erschlossene, auf einem Uferwall angelegte Dorfwurt Ammerswurth südwestlich von Meldorf. Diese besteht in ihrem unteren Teil bis zu einer Höhe von NN +3,10 m aus einer differenzierten Schichtenfolge aus Mist-, Siedlungs- und Kleischichten, die hoch- bis spätmittelalterliche Kleiaufträge bis zur heutigen Höhe von NN +5,30 m bedecken. Einen ähnlichen Aufbau weisen auch die Dorfwurten Fahrstedt bei Marne, Elpersbüttel, Wöhrden, Wellinghusen, Hassenbüttel und Wesselburen auf, während die Wurten Thalingburen (nördliche Wurt) und Großbüttel nach Bohrprofilen zu schließen überwiegend aus Klei aufgetragen worden sind. Die in dem im 15. Jahrhundert zurückgenommenen Seedeich einbezogene Dorfwurt Großbüttel wurde dabei wohl erst im Hochmittelalter aus Klei bis NN +3 m hoch aufgeschüttet und im späten Mittelalter bis NN +5,30 m erhöht. Im Unterschied zu den runden Dorfwurten besitzen die erst im Hochmittelalter angelegten Wurten auf der Insel Büsum (Büsum, Büsumer Deichhausen) sowie Schülp eine langrechteckige Form auf und sind ebenso wie die in dieser Zeit angelegten länglichen Gewerbewurten mit Sielhäfen (Norddeich, Reinsbüttel) aus Klei aufgetragen worden. Die umfangreichsten archäologischen Untersuchungen frühmittelalterlicher Dorfwurten erfolgten in Wellinghusen und Hassenbüttel.

 

Archäologische Befunde von Wellinghusen

Im Westen der Dithmarscher Nordermarsch erstreckt sich nordwestlich von Wöhrden die im Durch­mes­ser etwa 280 m lange und 180 m breite, wüste Dorf­wurt Wellinghusen, die an ihrer höch­sten Stelle mit NN +6,20 m etwa 5 m über der Marsch auf­ragt und mit ihren Kuppen noch an die ehemaligen zusammengewachsenen Einzelhofwurten erinnert. Auf der Gemarkungskarte von 1876 stehen auf der westlichen Seite der "Die Wurth" genannten  fast wüsten Dorfwurt nur noch zwei größe­re, in west-öst­licher Richtung orientierte land­wirt­schaftliche Gebäude sowie ein kleiner Nebenbau. Ferner ist ersichtlich, dass die Land­straße noch weiter nörd­lich herumführt. Nordwestlich der Dorfwurt liegen mehrere, miteinander verbundene hoch- bis spätmittelalterliche Hof­wur­ten. Heute umfassen Wellinghusen die Sielzüge Süder- und Nor­der­kanal, die westlich in den Großen Kanal münden, über den die Ent­wässe­rung zur Nordsee führt. Der Ortsname Wellinghusen wird erst 1560 urkundlich erwäh­nt und dürfte sich auf die Ansiedlung nördlich der in dieser Zeit vermutlich schon weitgehend verlassenen Dorfwurt bezie­hen. 

Zur frühmittelalterlichen Landnahmezeit schuf nach Radiokarbondatierungen (KI-3936) ein um 555–660 n. Chr. mit Schilf (Phrag­mi­tes) be­wach­se­ner, von Prielen halbinsel­artig eingefasster, bis NN +1,80 m hoher Marsc­hrücken gute Möglichkeiten zur An­lage er­ster Wohn­plät­ze als Flachsiedlung für ihre extensive, vor allem auf Viehhaltung beruhende Wirtschaftsweise. Ein 6 m breiter und bis NN +0,60 m tiefer Priel durchzog den Uferwall und die anschließende um NN +1 m hohe Marsch. Sen­ken und Rinnen westlich und südlich von Wellinghu­sen belegen ebenso wie der ge­schwun­gene Ver­lauf von Gräben weitere ehe­malige Priele, die älter als der hochmittelalterliche Deichbau sind.

Den paläobotanischen Untersuchungen nach war während der im 7./8. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Flachsiedlung das umge­bende nas­se Schilf­grünla­nd nur schwach salzwas­ser­beeinflusst. Andererseits war die beweidete Salzmarsch mit Milch­kraut (Glaux mari­tima), Schup­penmieren (Spergu­larien), Salzschwa­den (Puccinellia) und Salz-Drei­zack (Triglo­chin maritimum) nicht weit. Auf den am höchsten gelegenen Flächen des Prieluferwalls war der Anbau von Vierzeil-Spelz­gerste (Hordeum vulgare vulgare), Roggen (Secale cereale), Hafer (Avena) und Leinen (Linum usitatis­si­mum) mög­lich. Fer­ner ist Hasel (Corylus avella­na) belegt. Vorkom­men von Vaccini­num und Heide (Cal­luna) belegen Kontakte der Menschen zur Geest, von auch das Bauholz stammte. Weitere paläobotanische Proben aus den ersten Wurtaufträgen des 9. Jahrhunderts deuten an, dass das umgebene Grünland nass und ausge­süßt bis stark salz­was­serbeein­flusst war. Wäh­rend der jüngeren Wurtpha­sen seit dem 10. Jahrhundert nahm der Salz­wasser­einfluss hingegen zu, was auf höher auflaufende Sturmfluten schließen lässt.

Der regelmäß­ige Wechsel horizon­tal gelager­ter Siedlungs- und Auf­tragss­ch­ichten der Hofwurten im Westen der heutigen Dorfwurt gab 1994 den Aus­schlag für die Anlage eines 30 m langen, 12 m breiten und bis 6 m tiefen Grabungsschnit­tes. Der Osten der heutigen Dorfwurt besteht hingegen überwiegend aus massiven Mistschichten.     

Die hier auf dem bis NN +1,80 m hohen Uferwall angelegten Wohnstallhäuser (Siedlungshorizont 1), von denen das im Grabungsschnitt auf Hofplatz II errichtete Haus um oder nach 691 n. Chr. erbaut worden war, waren auf 0,20 m mächtigen Sodenpodesten erbaut. Den Hofplatz II begrenzte möglicherwei­se ein Flecht­zaun. Das nur randlich erfasste Gebäude mit seiner Flechtwerkwand mit eingearbeiteten Spaltbohlen lag südlich eines weiteren Hofplatzes (I) und war von diesem durch den erwähnten Priel getrennt. Auch zu diesem Hofplatz gehörte ein Wohnstallhaus mit Flechtwerkwänden und eingearbeiteten, das Rähm tragenden Spaltbohlen, dessen mit Soden ausgelegtes Stallteilende erfasst wurde. Der Laufhorizont befand sich ebenfalls bei etwa NN +2 m. Der Wohnpl­atz über­lagerte teil­weise einen etwa 1 m breiten und 0,50 m tiefen mit Mist verfüllten Gra­ben eines älteren, vermut­lich weiter östlich gelege­nen Hofare­als. Am Giebelende des Stalles befand sich eine Tür, aus dem ein mit Flechtmatten belegter Weg herausführte. Zu diesem Hofa­real gehörte eine runde, bis in die schluffigen Sedimente des Untergrundes eingetiefte, später mit Mist verfüllte Grube.

Nach Aufgabe der beiden Häuser erhöhten die Siedler ihre Hofplätze bis NN +3 m mit Mist und Klei und deckten diese mit Kleisoden ab (Siedlungshorizont 2). Kleisodenwälle umgaben die Mistaufträge. Diese Aufträge erfolgten frühe­stens um oder nach 764, be­stehen aber sicherlich schon um 820 n Chr. (+14/-4 Jahre), wie die Fäll­daten zweier Neben­gebäude eines auf der Hofwurt I errichteten Wohnstall­hauses andeuten, wobei eine sekundäre Verwen­dung der älteren Bohle nicht auszuschließen ist. Ein weitere Alter­sangabe von 785 n. Chr. stammt aus der in dieser Zeit errichte­ten oder erneuerten, aus parallelen Bohlen bestehenden Brücke, die den Priel überquerte. Dessen Böschungen sicherten teilweise angespitzte Hölzer gegen Verrutsch. Auf der Hofwurt I wurde ein 5,20 m breites, abmontiertes Wohnstallhaus mit umgelegten Flechtwerkwänden und darin eingelassenen, viereckigen, ehemals das Rähm tragenden Pfosten erfasst. Schräge Außenstützen, wie sie von der friesischen Marschensiedlung am Elisenhof bei Tönning bekannt sind, fehlen. Der Stallbereich fiel nach Westen etwas ab. Im Stallbereich stand das Vieh in Boxen mit dem Kopf zur Außenwand, deren Wände aus Rund- und Spalthölz­ern gefer­tigt waren. Beiderseits des mit Kleisoden ausgelegten Stallganges verliefen aus Bohlen gezimmerte Jaucherinnen. Für den Hausbau hatte man überwiegend Eiche und Erle verwendet. Nach einem Brand dürfte das Gebäude einmal erneuert worden sein. Südlich dieses Wohnstallhauses befanden sich die schon erwähnten klei­nen Nebenbauten, deren erhaltene Teile sich allerdings auf die Reste kräfti­ger Ei­chenspalt­hölzer, Rund­hölz­er oder Birken­stak­en von Flechtwerkwänden sowie Sodenlagen als Fußböden beschränkten. Nahe des einen Baus befanden sich verbrannte Steine. Die Zuordnung weiterer Pfosten zu Baubefunden ist nicht möglich. Im Zuge der Erweiterung beider Hofwurten verfüllte man den Priel im Verlauf des 9. Jahrhunderts mit Mist.

Mit dem Siedlungshorizont 3, der das späte 9. Jahr­hundert um­fasst, vollzog sich eine Erhöhung und weite­rer Ausbau der Wurt mit Mist und Sied­lungs­material bis zu einer Höhe von NN +3,50 m. Indem die noch beste­henden Zwischen­räume zwis­chen den Hofwur­ten aufge­füllt wurden, entstand eine ein­heit­lichere Ober­fläche, wobei die alte Prielsenke nun völlig mit Mist und Sied­lungs­material ver­füllt war. Mit weiteren Aufträgen aus humosem Sied­lungs­material, Mist und ab­deck­enden Kleilagen sowie Kleisoden er­folgte dann im 10. Jahrhundert (Siedlungshorizont 4) eine nochmalige Erhöhung der Dorfwurt bis auf NN +4 m. In diese Phase gehört ein 3,70 m breiter Kleinbau mit Flechtwerkwänden, der in seiner Lage nicht an die älteren Hofar­eale anknüpft. Das auf einer Länge von 6,70 m erfasste einschiffige Gebäude besaß an der nördlichen Seite eine Tür, dessen Schwelle auf einer Höhe von NN +3,77 m lag. Der östliche Firstpfosten bestand aus zwei mit einander durch Anblattung und Dübelung verbundenen Pfosten, da Bauhölzer in der baumlosen Seemarsch wertvoll waren. Den Wohnplatz umgab ein Graben. Über diesem abgebrannten Kleinhaus befand sich bei NN +3,90 m ein zweites, nur in Resten erhaltenes Gebäude. Eine als Fußbodenbe­lag wohl sekundär verwen­dete Flechtwand, eine wieder genutz­te Spaltbohle sowie drei Eichenpf­osten der östlichen Giebel­seite lassen sich noch als Reste dieses Kleinbaus ansprechen. Der Fußboden bestand ansonsten ebenfalls aus Kleisoden. Eine Lage brandmür­ber Steine deu­tet auf eine Feuer­stelle hin. Weite­re Pfo­sten lassen sich nicht zu Baubefun­den ergän­zen.

Während im frühen Mittelalter die Erhöhung und der Ausbau der Wurt überwiegend mit dem bei der ext­ensiven Viehhaltung angefal­lenen Mist er­folg­te, änderte sich dies seit dem Hochmittelalter. Nun bestanden die Wurtaufträge überwiegend aus Klei, während man den Mist als Dung auf die Felder brachte. In den Profilen nachweisbare Brandschichten belegen in Wellinghusen zwei Kleiaufträge (Siedlungshorizonte 5 und 6), die mit Höhen von NN +5  und +6,20 m das 12. und 14. Jahrhundert umfassen. Zu den hochmittelalterlichen Befunden gehören die randlich angeschnittene Baugrube eines großen Brunnens sowie Pfostengruben von Gebäuden. 

 

Wirtschaft und archäologische Funde

Das tägliche Leben der Bewohner dokumentieren die zahlreiche Funde. Die im Hauswerk hergestellte frühmittelalterliche Keramik gehört zur weichen und harten Grauware. Die im Verhält­nis zur Schnittgröße und Schicht­mächtigkeit mit­ etwa 885 Scher­ben nur geringe An­zahl deutet auf nur weni­ger Ge­fäße im Hausbereich hin. Die Scherben der weichen Grauware und wenigen Reste der Muschelgrusware verteilen sich dabei in einer etwa 3 m mächti­gen Schichten­folge auf ei­nen Zeit­raum von etwa 400 Jahren, wo­bei die Masse der Zeit vom 7./8. bis in das 9. Jahrhundert gehört (Siedlungshorinzonte 1–3) und im 10. Jahrhundert (Siedlungshorizont 4) stark abnimmt. Die aus den SH 1–2 geborge­ne Kera­mik be­stand ausschließlich, die aus den SH 3–4 gebor­gene Keramik in weit überwiegen­dem Maße aus der weich gebrann­ten Grauware, dicker Wan­dung und grober Gesteins­grusmage­rung. In den unteren Horizon­ten (SH 1–3) treten sowohl handgemachte ei-för­mige Töpfe als auch ein­fache Kugel­töpfe mit S-förmigen Profil und mit kur­zen, meist abgerun­deten oder zipfe­ligen Rän­dern, gro­ber Ges­teingrus­mage­rung und schlech­tem Brand so­wie Flach- oder Wa­ckel­boden auf. Im 9./10. Jahrhundert weichen die ei-förmigen Töpfe – wie auch aus anderen Marschensiedlungen dieser Zeit belegt – Kugeltöpfen mit profilierten und abgesetzten Rändern. Zur Zeit des Siedlungshorizontes 4 im 12. Jahrhundert umfasst das Gefäßs­pek­trum in Welling­husen fast aussc­hlie­ßlich Kugel­töpfe mit stark ausladenden, langen, mehr oder minder spitz zulau­fenden oder abgerun­deten Rändern. Nun treten erst­mals auch Kugeltöpfe der hart gebrann­ten Grauware auf.

Daneben sind in Wellinghusen 70 Scherben der Muschelgrusware geborgen worden, die als Produkte des friesischen Fernhandels gelten und vor allem aus den Siedlungshorizonten 3 und 4 stammen. Die frühesten Belege reichen jedoch bis in den Siedlungshorizont 2 zurück. Das erste Auftreten der Muschelgrusware ist anhand zuweisbarer dendrochronologi­schen Datierungen vor 785 belegt. Während im niederländi­schen und nie­dersächs­ischen Küstenge­bie­t häu­fig über die Hälfte der Tonware aus Mu­schelgrusmagerung ausweist, macht der Anteil dieser Tonware auf der friesischen Marschensiedlung am Elisen­hof bei Tönning im 9. Jahrhundert immer­hin noch ein Viertel aus. In Wellinghusen liegt hingegen der Anteil noch weit darunter, was als Indiz für eine sächsische Bevölkerung zu werten ist. Eine aus dem Siedlungshorizont 3 geborgene Randscherbe eines Hängegefäßes findet einzelne Paral­lelen auf dem Elisen­hof aus Schichten des 8. bis 10. Jahrhunderts. Weitere Vergleichs­funde stammen aus Haithabu. Einige Gefäße weisen Henkel und Stempelverzierungen auf.     

Die Kleinfunde umfassen neben Schmuck- und Trachtbestandteilen, wie Perlen als Resten von Ketten, vor allem Gebrauchsgegenstände. Dazu gehört ein aus einer Auftragsschicht des Siedlungshorizontes 4 geborgener Dreilagenkamm (Gruppe F nach Tempel), der als Import nach Dithmar­schen gelangte. Kämme dieses Typs treten in den älte­sten Schichten des Handelsplat­zes Haithabu auf, wo sie wie auf der Wurt Elisenhof mit mu­schel­grus­gema­gerter Keramik vergesell­schaf­tet sind. Ähnliche Dreila­genkäm­me kommen ferner auf anderen friesischen Marschensiedlungen sowie in zahlreic­hen skan­di­navischen Grabfunden im Zeitraum des Berdalstils vor. Dem­nach domini­eren solche Kämme im 9. Jahrh­undert, beginnen viel­leicht aber noch im 8. Jahrhundert und reichen bis in die ersten Jahrzehnte des 10. Jahrhunderts.

Aus Holz war in Wellinghusen ein Spindelstab  gefertigt. Zur Beschwerung der Spin­deln dienten Spinnwir­tel. Ein Knochenspinnwirtel stammt zusammen mit Webgewichten aus Ton aus einem möglicherweise im Nordprofil randlich erfassten Sodenwandbau. Ein flaches Webgewicht weist nach seiner Verzierung mit Kreuzstempeln nach Vergleichsfunden in das 9./10. Jahrhundert. Bereits in den karolingischen Schriftzeugnissen ist von den bekannten friesischen Tuchen (pallia) als Handelsgut die Rede, die auf solchen Webstühlen hergestellt wurden. 

Dem Schär­fen der in Schich­ten des 8. und 9. Jahrhunderts in Wellin­ghusen gefundenen Griffangelmes­ser mit gera­der Schnei­de und geboge­nem Rü­cken dienten versc­hiedene Schleif- oder Wetz­stei­ne. Die ältesten bestehen aus Gesteins­arten ein­heimischen Ge­schiebes, dazu treten als Import seit dem 9. Jahr­hundert am Ende durch­lochte Exemplare aus nor­wegischem Tonschiefer auf, die ver­mut­lich als Gegenstände des tägli­chen Ge­brauchs ständig mitgeführt wur­den. Die Herkunft des Roh­materials der größeren und grö­be­ren Schleif­stei­ne ist unbe­kannt. Diese wurden wahrschein­lich aus eiszeitli­chem Ge­schiebe herge­stellt. Als Import ist auch der Überrest zweier Mahl­stein­bruch­stücke aus rheinischer Basaltlava anzu­spre­chen. 

Wie die aus Knochen, Geweih und Ton gefer­tig­ten Gegenstände lassen sich auch einige aus Holz gefertigte Funde dem täg­lichen Gebrauch zuordnen. Dazu gehören zwei Holzs­chalen, darunter eine klei­ne mit umlaufender Rillenverzierung aus dem Siedlungshorizont 4 des 10. Jahrhunderts. Solche ge­drech­selten Schalen verwendete man als Servier- und Aufbewahrungsgefäße, deren Benutzung auf dem Eß- oder Serviertisch auch auf dem Bildteppich von Bayeux  bel­egt ist, der die Schlacht von Hastings 1066 zeigt. In dieser schlug der Normannenherzog Wilhelm den englischen König Harald II.  

Aus Holz wurden auch andere Geräte und Gegenstä­nde in Wellinghusen gefertigt, wie Stiele oder Dübel. Ferner fanden sich Reste eines Holz­deckels oder einer Speise­platte. Zu den gängigen Funden gehören auch Holzstäbchen mit einer Spitze. Ähn­liche Exemplare wur­den in Elisen­hof als Stäb­chen zum Verschließen von Wurstdämmen oder Pan­sen gedeutet. Eini­ge Holzgegen­stände lassen sich hin­sicht­lich ihrer Funktion nicht sicher an­sprechen. Dies gilt etwa für eine Holz­scheibe mit mehrfacher Durch­boh­rung. Ein ähn­liches Stück auf dem Elisen­hof wurde vor anhand volkskund­licher Parallelen als Seiten­teil einer Hänge­wiege gedeu­tet.

Die geborgenen Lederreste umfassen Abfälle, Riemen und Teile von Schuhen halb hoher Form ohne Randversäube­rung. Flicken und Reparatur­nähte belegen den starken Gebrauch der Fußbekleidung. Zur Herstellung von frühmittel­alterli­chem Schuhwerk und anderer Gebrauchsgegen­stände verwendete man ne­ben Ziegenleder vor allem Kalbs- und Rinderleder. Die Bekleidung bestand aus Textilien und Wolle.

Zusammenfassend betrachtet belegen die archäologischen Funde eine weitgehend autarke Bevölkerung, die im frühen Mittelalter aber auch vom maritimen fränkisch-friesischen Ferrnhandel profitierte. Die Wirtschaft der frühmittelalterlichen Marschensiedlung beruhte vor allem auf Viehhaltung, in erster Linie von Rindern und Schafen. Daneben wurden auch Ziegen, Schweine, Pferde, Hunde und Katzen gehalten. Hinzu kamen Hühner und Hausgänse. Während der Sommermonate auf den höheren Partien des Uferwalles Spelzgerste, Gerste, Roggen, Hafer, Lein und Flachs angebaut.

Im späten Mittelalter endete die dichte Besiedlung der Dorfwurt, da mehr und mehr Höfe in das nach der Bedeichung urbar gemachte Sietland ausgebaut wurden und neben der alten Wurtensiedlung seit dem 12. Jahrhundert eine langgestreckte Wurt entstand. Einem 1996 angelegten Grabungsschnitt zufolge waren hier die Hofstellen über der NN +1,40 m hohen Marsch auf etwa NN +3 m hohen Wurten aus Klei errichtet. Nachgewiesen wurde auch ein großer Brunnen.

Eine erste Ausweitung der Besiedlung im Dithmarscher Küstengebiet lässt sich bereits für das 10. Jahrhundert feststellen. Da nicht mehr in ausreichendem Maße höher aufgelandete Flächen zur Verfügung standen, wurden auch niedrige, häufiger von Salzwasser überschwemmte Marschflächen besiedelt, wie das Beispiel der Dorfwurt Hassenbüttel 2 km nördlich von Wellinghusen belegt.

 

Blick auf Wellinghusen (c) DM