Archäozoologische Untersuchungen auf Wurten in Dithmarschen

Die archäozoologischen Befunde aus den Marschengrabungen belegen die Dominanz einer extensiven Weidewirtschaft von Kühen, Schafen und Pferden in den Marschensiedlungen des 1. Jahrtausends n. Chr. Je häufiger die Seemarschen von Salzwasser erfasst wurden, desto größer war der Anteil der Schafhaltung. Daher finden sich in der frühmittelalterlichen Wurt Hassenbüttel, dessen Umland niedrige Salzmarschen prägten, bei den Nutztieren prozentual mehr Schafknochen (48%) als in dem auf einem höheren Uferwall angelegten Wellinghusen (36%). Schafe und Rinder stellen gemeinsam jeweils ca. zwei Drittel der Individuen.

Rinder

Die Rinder erreichten auf den frühmittelalterlichen Wurten mit durchschnittlich 115 cm durchschnittlich deutlich höhere Widerristhöhe als auf den älteren der römischen Kaiserzeit mit meist 110 cm. Sie stellen mit über 70% den Großteil des erzeugten Fleisches (bezogen auf das relative Knochengewicht). Der Anteil der Rinder an der relativen Häufigkeit der Nutzhaustiere beträgt in der römischen Kaiserzeit zwischen 33% (Haferwisch) und 44% (Süderbusenwurth), im frühen Mittelalter 25% (Hassenbüttel) und 36% (Wellinghusen).   Unter den Rindern überwiegen diefür die Milchwirtschaft gehaltenen Kühe. Über 50% der Rinder standen zum Zeitpunkt der Schlachtung mindestens im vierten Lebensjahr. Auch Kälberknochen sind mit größeren Anteilen (bis 30 %) im Fundmaterial nachgewiesen. Bei einigen Rindern lassen sich altersabhängige chronisch-pathologische Veränderungen an den Gelenken der Hinterhand feststellen. Diese Erkrankung beruht auf einer andauernden mechanischen Überbelastung. Im Mittelalter sind vergleichsweise drei mal so viele Rinder erkrankt wie heute. Möglicherweise spiegelt sich hier ein vermehrter Einsatz der Tiere im Ackerbau wider. Ein Teil der heranwachsenden Tiere wurde im Herbst geschlachtet. Dies erfolgte zuweifellos auf Grund der schwierigen Winterversorgung der Bestände.  Schafe

Schafe

Die Schafe stellen in der römischen Kaiserzeit zwischen 28% (Süderbusenwurth) und 44% (Haferwisch) einen Großteil der Individuen. Für die frühmittelalterlichen Wurten Wellinghusen und Hassenbüttel liegt deren Anteil 36% bzw. bei 48%. Über 50% der Schafe erreichten das dritte Lebensjahr erreichten, da sie für die Nachzucht und Wollproduktion wichtig waren. Regelmäßig trat bei den Schafen eine Entzündung des Zahnfaches auf, die durch das Einkauen spitzer Futterbestandteile ausgelöst wird. Als weiteres Haustier ist die Ziege in Wellinghusen nachgewiesen.      

Schweine

Die Schweine wiesen in der römischen Kaiserzeit zwischen 14% (Haferwisch) und 18 % (Tofting) hohe Prozente am Gesamtbestand der Haustiere auf. Im frühen Mittelalter beträgt ihr Anteil 22%. Deren Menge scheint von den regionalen Umweltbedingungen abhängig gewesen zu sein. Einen Großteil, möglicherweise über 60%, schlachtete man im zweiten und dritten Lebensjahr. Aus dem frühen Mittelalter liegen Befunde vor, wonach ca. 20% der Schweinepopulation aus älteren Tieren bestanden. Möglicherweise handelt es sich dabei größtenteils um Zuchtsauen.  Zahlreiche Schnitt- und Hackspuren weisen die meisten Knochen als Schlacht- und Küchenabfälle aus. Bissspuren ließen sich im übrigen mit 30% besonders oft an Schweineknochen nachweisen.

Pferde

Die Pferde stellen in der römischen Kaiserzeit zwischen 8% (Tofting) und 11% (Süderbusenwurth) der nachgewiesenen Individuen. Im frühen Mittelalter beträgt der Pferdeanteil 5% (Hassenbüttel) bzw. 7% (Wellinghusen). Auf den Wurten der römischen Kaiserzeit hielten die Bewohner meist mehr Pferde. Die Pferde erreichten in aller Regel ein höheres Alter als die übrigen Nutztiere, da sie der Zucht und als Arbeitstiere dienten. Regelmäßige Schlachtungen von Jungpferden lassen sich aus dem Fundmaterial nicht ableiten. Bei den geschlachteten Pferden handelt es sich größtenteils um alte Tiere.

Hunde

Hunde sind aus allen Siedlungen nachgewiesen. Wahrscheinlich waren sie auf den Wurten der römischen Kaiserzeit häufiger. Mit 8% und 9% ist ihr Anteil an den nachgewiesenen Individuen aus Haferwisch und Süderbusenwurth bemerkenswert hoch. Die durchschnittliche Widerristhöhe von ca. 60 cm weist auf große, kräftige Tiere hin, die meist ein höheres Alter erreichten. Sie dienten wohl als Wächter von Haus, Hof und Vieh. Ferner ist Hausgeflügel ist von den Wurten des frühen Mittelalters belegt.

Wildsäugetiere, Avifauna und Fische

Von den von den Menschen gejagten Wildsäugetieren lassen sich Wildschwein, Rothirsch, Fuchs, Wildkatze, Fischotter, Seehund, Kleiner Tümmler und Großer Tümmler nachweisen. Zudem verweisen mehrere Fragmente auf größere Wale. Die Avifauna setzt sich hauptsächlich aus Enten und Gänsen zusammen. Aber auch Seeadler, Kranich, Graureiher, Birkhuhn und Kolkrabe sind nachgewiesen. Unter den Fischen in Wellinghusen und Süderbusenwurth ist der Stör belegt. Bemerkenswert sind die Reste großer Kabeljaue aus Hassenbüttel. Diese deuten – da auch Teile des Kopfskelettes vorhanden sind und es sich somit nicht um importierte Stockfische handelt  – auf Hochseefischerei hin.

Somit nutzten die Menschen in den Seemarschen des 1. Jahrtausends die Ökologie des Wattenmeeres ebenso wie die des Hinterlandes.

Tierhaltung überwog in den Marschensiedlungen des 1. Jahrtausends n. Chr. ebenso wie auch auf den heutigen Halligen. Foto: Dirk Meier

 

Literatur:

Ralf Witt: Untersuchungen an kaiserzeitlichen und mittelalterlichen Tierknochen aus Wurtensiedlungen der schleswig-holsteinischen Westküstenregion [Elektronische Ressource], Disserstation Universität Kiel, Kiel 2002.