Dithmarschen
Das Dithmarscher Küstengebiet erstreckt sich von der Elbe im Süden bis zur Eider im Norden. Die letzten beiden Eiszeiten und der nacheiszeitliche Meeresspiegelanstieg mit dem Vorstoß der Nordsee in den heutigen Küstenraum formten die Landschaft. Um ca. 4500 v. Chr. erreichte die Nordsee erstmals den Rand der saaleeiszeitlichen Endmoränen und drang in die Täler zwischen den Geestkernen ein. Mit nachlassendem Meeresspiegelanstieg zog sich das Meer wieder zurück und formte zunächst kleine, um 3000 v. Chr. dann größere Nehrungen (Lundener Nehrung, Nehrungsfächer von St. Michaelisdonn). Die Täler östlich der Nehrungen wurden dem Meereseinfluss entzogen. Westlich dieser Ausgleichsküste entstand ein Wattenmeer. Schließlich wuchsen um 500 v. Chr. die alten Seemarschen auf, die sich in der Folgezeit immer weiter nach Westen ausdehnten und im 12. Jahrhundert bedeicht wurden. Westlich daran schließen sich junge Köge, die seit der frühen Neuzeit unter dem Einfluss der adeligen Landesherrschaft, in der Neuzeit durch das Land Schleswig-Holstein enstanden. Die letzte Eindeichung erfolgte 1978 mit dem Speicherkoog.
Durch die Arbeitsgruppe Küstenarchäologie wurden die historische Kulturlandschaft des Dithmarscher Küstengebietes erstmalig erfasst und zahlreiche geoarchäologische Untersuchungen durchgeführt, die erstmals gesicherte Erkenntnisse über die Landschafts- und Siedlungsgeschichte des Küstengebietes von der römischen Kaiserzeit bis in das Mittelalter erbracht haben. Die interdisziplinären Forschungen wurden finanziert durch Mittel der Arbeitsgruppe Küstenarchäologie des Forschungs- und Technologiezentrum Westküste der Universität Kiel, der Agentur für Arbeit in Heide, dem Kreis Dithmarschen sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Alle wesentlichen Ergebnisse wurden publiziert. Einzelne Untersuchungsergebnisse können Sie den folgenden Seiten entnehmen.
Landschaftsentwicklung im Blockbild
Die Blockbilder vermitteln die Landschaftsentwicklung des nördlichen Dithmarscher Küstengebietes im Zeitraffer von 5500 v.Chr. bis 1500 n. Chr.
A 5500 v. Chr.
Die Sander- und Schmelzwasserebene vor dem saaleiszeitlichen Geestrand (Klev) wird im Zuge des nacheiszeitlichen Meeresspiegelanstiegs überflutet. Das Land war bewaldet. Mit steigendem Meeresspiegel stieg auch der Grundwasserspiegel und zunehmend breiteten sich im Küstengebiet Moore aus. Jäger und Sammler nutzen das Küstengebiet zur Jagd, zum Fischfang und zur Versorgung mit Romaterialen (Flint).
B 2500 v. Chr.
Die Nordsee erodiert die Kliffränder und schüttet aus deren Kiesen und Sanden ebenso wie mit mitgebrachten Sedimenten Nehrungen auf. Allmählich bildet sich eine Ausgleichküste, in dem Nehrungen einzelne Geestkerne miteinander verbinden. Der Meeresspiegel steigt nur noch wenig. Am Geestrand ist für die Anlage von Siedlungen und Feldern örtlich der Wald von Siedlern der Jungsteinzeit gerodet worden.
C 200 n. Chr.
Seit etwa 500 v. Chr. ist vor dem Dithmarscher Geestrand ein schmaler Marschreifen (alte Marsch) aufgelandet, der sich allmählich weiter nach Westen ausdehnt. Während eines niedrigen Meeresspiegels um Chr. Geb. erfolgte eine erste Landnahme bäuerlicher Siedler, die zunächst Flachsiedlungen gründeten, bevor höhere Sturmfluten seit etwa 50 n. Chr. den Bau von Wurten erforderten. Im 3./4. Jahrhundert n. Chr. mehren sich die Anzeichen einer Entsiedlung der Seemarschen. Östlich der Seemarsch erstreckt sich teilweise ein vermoortes Sietland. Im Laufe des 4./5. Jahrhunderts dehnt sich die Vermoorung aus.
D 800 n. Chr.
Stellenweise hat sich im frühen Mittelalter die alte Marsch nach Westen ausgedehnt. Im Rahmen einer erneuten Landnahme bäuerlicher Siedler entstehen auf hohen Uferwällen während einer Periode eines niedrigen Sturmflutspiegels um 700 n. Chr. erneut Flachsiedlungen, die schon im frühen 9. Jahrhundert zu Wurten aufgehöht werden. Aus dem Zusammenschluss einzelner Hofwurten entstehen Dorfwurten. Östlich der Seemarsch erstreckt sich ein breites vermoortes Sietland.
E 1500 n. Chr.
Seit 1200 ist die alte Seemarsch von bäuerlichen Genossenschaften, die in Kirchspielen organisiert sind, bedeicht. Der Deichbau verhindert eine regelmäßige Überflutung der Marsch bei höheren Wasserständen und erlaubt eine Entwässerung des vermoorten Sietlandes. Hier entstehen langgezogene Marschhufensiedlungen (Geschlechtersiedlungen) mit anschließenden Langstreifenfluren. Eine steigende Bevölkerung verlangt zunehmend nach Agrarprodukten. In dem neu kultivierten Land wird vor allem Getreide angebaut. Westlich der alten Marsch erstreckt sich infolge natürlicher Auflandung die junge Marsch, die seit etwa 1500 durch Köge eingedeicht wird. So verlagert sich die Küstenlinie weiter nach Westen. Mit dem Speicherkoog war 1978 die letzte Eindeichung Dithmarschens abgeschlossen
Literatur:
Dirk Meier, Landschaftsentwicklung und Siedlungsgeschichte des Eiderstedter und Dithmarscher Küstengebietes als Teilregionen des Nordseeküstenraumes. Teil 1: Die Siedlungen; Teil 2: Der Siedlungsraum. Untersuchungen AG Küstenarchäologie des FTZ-Westküste = Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 79 (Bonn 2001), Habelt.
Dirk Meier, Die Nordseeküste. Geschichte einer Landschaft (²Heide 2007), Boyens.
Dirk Meier, Die Eider. Flusslandschaft und Geschichte (Heide 2016), Boyens.
Dirk Meier, Die Nordseeküste Schleswig-Holsteins. Ein historischer Atlas (Heide 2022). Boyens
Ralf Witt, Untersuchungen aus kaiserzeitlichen und mittelalterlichen Tierknochen aus Wurtensiedlungen der schleswig-holsteinischen Westküstenregion. Dissertation Universität. Aus dem Institut für Haustierkunde (Kiel 2002). Elektr. Diss. UB Kiel